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des Antipsychiatrieverlags
Übersetzung aus: Street Spirit Eine Publikation des
American Friends Service Committee (AFSC), August 2005. Originaltext
siehe
www.thestreetspirit.org/August2005/electroshock.htm
Don Weitz
Elektroschockbehandlung ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Die Elektrokrampftherapie ist ein barbarisches, hirnschädigendes
psychiatrisches Verfahren, das man schon vor langer Zeit hätte
aufgeben sollen. Dennoch wird diese Behandlung inzwischen wieder
immer häufiger eingesetzt.
Seit
30 Jahren kämpfe ich gegen psychiatrische Unterdrückung und für
die Menschenrechte von Psychiatrie-Erfahrenen. Ich bin stolz darauf,
die Psychiatrie überlebt zu haben und mich heute für soziale Gerechtigkeit
und den Kampf gegen die Psychiatrie zu engagieren. "Störenfried"
und "Unruhestifter" nannte man mich, als ich Anfang der 1970er
Jahre als Psychologe am berüchtigten Queen Street Mental Health
Centre in Toronto tätig war.
Zwanzig Jahre davor war ich 15 Monate lang im McLean Hospital
eingesperrt, dem wichtigsten psychiatrischen Lehr- und Forschungsinstitut
der Harvard University, wo ich zwangsweise 110 Insulinschockbehandlungen
erhielt. Ich erlebte den Insulinschock als schwere Traumatisierung,
als psychiatrische Folter, und schrieb einen Bericht über diese
entsetzliche Erfahrung, der voriges Jahr im Journal
of Critical Psychology, Counselling and Psychotherapy veröffentlicht
wurde.
Heute hat der Elektroschock, offiziell Elektrokrampftherapie
(EKT) genannt, den Insulinschock im Waffenlager der Psychiatrie
abgelöst. Der Insulinschock, vor allem, wenn er mit einem Koma
verbunden war, verursachte zahlreiche medizinische Komplikationen
bis hin zum Tod. Dennoch wurde diese Behandlung in Nordamerika
nie verboten. Die Elektrokrampftherapie ist ein barbarisches,
hirnschädigendes psychiatrisches Verfahren, das man schon vor
langer Zeit hätte verbieten oder aufgeben sollen, nämlich gleich,
nachdem diese sog. "Depressionstherapie" Anfang der 1940er Jahre
in Nordamerika eingeführt worden war.
Ich weigere mich, den Elektroschock 'Therapie' zu nennen. Warum?
Weil diese angebliche "sichere, wirksame und lebensrettende Behandlung"
von Depressionen und anderen sog. "psychischen Störungen" immer
zu Hirnschäden, dauerhaftem Gedächtnisverlust, Angst, Schrecken,
Traumata und manchmal zum Tod führt. Bei jeder Schockbehandlung
erhält das Gehirn durch ein- oder beidseitig angebrachte Elektroden
Stromstöße von durchschnittlich 150-200 Volt. Diese Stromstöße
dauern 0,5-2 Sekunden.
Jeder Elektroschock führt sofort zu mehreren erschreckenden und
gesundheitsschädlichen Folgen, wie etwa Krämpfen, jenen unwillkürlichen
Zuckungen und Verdrehungen, die in dem Film "Einer flog übers
Kuckucksnest" zu sehen sind. Durch ein die Muskeln lähmendes Medikament,
das kurz vor der Prozedur verabreicht wird, dämpft man diesen
Effekt. Eine weitere schwerwiegende Folge sind epileptische Grand-Mal-Anfälle,
die über eine Minute anhalten können und dann in ein 5-10 Minuten
langes Koma übergehen. Man erwacht schließlich auf der Wachstation
und erholt sich nur selten wieder voll und ganz. Das elektrisch
induzierte Koma führt nach dem Aufwachen zu rasenden, migräneartigen
Kopfschmerzen, zu Desorientierung (häufig weiß man nicht mehr,
wie man heißt oder wo man sich befindet), zu Muskelschwäche, Verwirrung,
Übelkeit und Gedächtnisverlust.
Langzeitfolgen sind der dauerhafte Verlust von Erinnerungen an
vergangene Lebensereignisse (retrograde Amnesie), das Vergessen
von kürzlich Erlerntem oder Erfahrenem (anterograde Amnesie) und
Probleme mit Konzentration, Lernen und Lesen.
Wendy Funk und Wayne Lax sind zwei der vielen mutigen Elektroschock-Überlebenden
in Kanada, die ihre Erfahrungen öffentlich gemacht haben und wie
viele andere Elektroschockopfer und -kritiker, darunter ich, verlangen,
dass diese Prozedur verboten wird. Wendy Funk, mit der ich gut
befreundet bin, ist Autorin der von den Kritikern gefeierten Autobiografie
"What Difference Does it Make? (The Journey of a Soul Survivor)".
Bis heute kann sie sich an rund 30 Jahre ihres Lebens nicht mehr
erinnern. Seit 1989 hat sie gegen ihren Willen und ohne ihr Einverständnis
mehr als 40 Schockbehandlungen durchgemacht, die ihre Erinnerung
an viele Lebensereignisse einfach ausgelöscht haben. Wayne Lax,
ein weiterer guter Freund und mutiger Überlebender, hat 20 Jahre
lang etwa 80 Elektroschocks erhalten. Obwohl seither fast 15 Jahre
vergangen sind, hat er noch immer erhebliche Gedächtnisprobleme.
Bleibende Gedächtnislücken sind keine "Nebenwirkung" sie sind
direkte, verheerende Folgen des elektrischen Schocks. Das Auslöschen
von Erinnerungen ist ein wesentlicher Bestandteil von Gehirnwäschetechniken,
eine grauenvolle Tatsache, auf die der inzwischen verstorbene
kanadische Psychiater D. Ewen Cameron voller Stolz hinwies. In
den 1950er und frühen 1960er Jahren führte Cameron qualvolle Versuche
durch, bei denen er im Rahmen seiner berüchtigten, 'Depatterning
Treatment' genannten Gehirnwäsche-Experimente am Allen Memorial
Institute in Montreal etwa 100 Patienten, zum größten Teil Frauen,
gewaltige Elektroschock- und Psychopharmaka-Dosierungen verabreichte.
Camerons Versuche wurden von der kanadischen Regierung mit rund
300.000 Dollar finanziert, während auch die CIA 62.000 Dollar
beisteuerte.
Hunderte kanadischer Bürger drei Viertel davon Frauen erlitten
bleibende Gehirnschäden und waren auf Dauer behindert. Einige
der Überlebenden dieser Experimente haben die kanadische Regierung
erfolgreich verklagt, während andere 40 Jahre danach immer noch
darauf warten, für die Zerstörung ihres Gehirns und ihres Lebens
durch Elektroschocks und Psychopharmaka eine "Entschädigung" zu
erhalten.
Der Schock-Überlebende und -Gegner Leonard
Roy Frank, der in den 1960er Jahren in Kalifornien Insulin-
wie Elektroschocks erhalten hatte, hat den Begriff 'Elektrokrampf-Gehirnwäsche'
(Electroconvulsive Brainwashing, ECB) angeregt, der genauer sei
und in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für die wahre Bedeutung
solcher Methoden wecke. Der Elektroschockgegner Dr. Peter Breggin,
ein bekannter Psychiater und Buchautor, nennt die Elektrokrampftherapie
ein "elektrisch induziertes Geschlossenes Schädelhirntrauma",
denn das Verfahren schädigt immer das Gehirn. Dr. Breggin drängt
auf ein Verbot von Elektroschockbehandlungen. Die Hochstimmung,
Euphorie, die viele Überlebende nach einer Reihe von Schocks für
kurze Zeit erleben, wird von Schockbefürwortern und Psychiatern
routinemäßig als "Besserung" fehlgedeutet. Euphorische Zustände
sind typische Folgen von Kopfverletzungen.
Viele Menschen, selbst hochqualifizierte Fachleute, sind überrascht,
wenn sie von mir erfahren, dass Elektroschockbehandlungen in Nordamerika
zunehmen. "Heißt das, man macht so etwas immer noch?", werde ich
dann gefragt.
Aus den Statistiken des Gesundheitsministeriums von Ontario geht
hervor, dass in den vergangenen 20 Jahren eine große Zahl von
Patienten mit Elektroschocks behandelt wurde, und zwar vor allem
Frauen und ältere Menschen. So erhielten in den Jahren 2001-2002
1.656 Bürger, davon 68% Frauen, insgesamt 14.034 Elektrokrampf-Anwendungen,
Frauen über 65 dreimal so häufig wie Männer. Aus diesem Grund
bezeichne ich die Elektroschock-Behandlung auch als Misshandlung
alter Menschen. Meines Wissens gibt es keine Gesetze und Vorschriften,
die die kanadischen Krankenhäuser dazu verpflichten, alle Schockbehandlungen
und die damit verbundenen gesundheitlichen Komplikationen und
Todesfälle an die zuständigen Behörden zu melden. Solche Meldungen
erfolgen freiwillig nach eigenem Ermessen. In Kanada und den Vereinigten
Staaten sollte ein Gesetz erlassen werden, das solche Meldungen
zur Pflicht macht. Öffentlichkeit und Wissenschaft haben ein Recht
auf diese Daten, die jedem zugänglich sein sollten.
Das Ausmaß, in dem Elektroschockbehandlungen zu bleibendem Gedächtnisverlust
und Hirnschäden führen, wird von der Amerikanischen und Kanadischen
Psychiatrischen Vereinigung (APA und CPA) beharrlich verharmlost
oder gar geleugnet. Ärzte, die Elektroschocks anwenden, und andere
Psychiater bestreiten bis heute die neurologische Tatsache, dass
diese Behandlung das Gehirn schädigt, und versuchen, die Grand-Mal-Krampfanfälle,
die nach jeder Schockanwendung auftreten, als "therapeutisch"
zu beschönigen. Therapeutische epileptische Anfälle?! Ein weiterer
psychiatrischer Widerspruch in sich.
Einige amerikanische Neurologen, wie John Friedberg, Sydney Sament
und Robert Grimm, der Neurowissenschaftler Peter Sterling und
die Psychiater Peter Breggin und Lee Coleman durchschauen die
Täuschungen, Verleugnungen und Lügen ihrer Kollegen und verlangen
ein Verbot von Elektroschocks. Ich teile diese Auffassung voll
und ganz. In Kanada jedoch verschweigen fast alle Neurologen in
schamloser Weise diese psychiatrischen Gräueltaten, die von vielen
Überlebenden zu Recht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit
angeklagt werden.
Der frühere amerikanische Justizminister und bekannte Menschenrechtsanwalt
Ramsey Clark erklärte einmal: "Elektroschock ist Gewalt." Diese
Aussage machte er 1983 als Redner auf der Jahrestagung der Amerikanischen
Psychiatrischen Vereinigung APA in New York.
Vor jenen psychiatrischen Kliniken in Toronto und Vancouver,
die für ihre häufigen Elektroschockanwendungen berüchtigt sind,
demonstierten in den 1980er und 1990er Jahren Hunderte von Überlebenden
und Unterstützern, darunter auch ich. In den USA wurden noch viele
mehr öffentliche Protestaktionen durchgeführt. Leider haben die
Aktionen kaum zu einem Rückgang dieser Behandlungen geführt, von
dem ein oder anderen Krankenhaus abgesehen, wo man Elektroschocks
durch Antidepressiva und Neuroleptika ersetzte die ebenfalls
das Gehirn schädigen.
Elektrokrampfanwendungen haben auch Todesfälle verursacht, die
von Krankenhaus- und Regierungsvertretern jedoch zumeist verharmlost
oder vertuscht werden. Leonard Roy Frank, ein guter Freund, Elektroschock-Überlebender,
bekannter Kämpfer gegen diese Praktiken und Autor des Klassikers
"A History of Shock Treatment" (Geschichte der Schockbehandlung)
hat eine Auflistung solcher Todesfälle zusammengestellt. Aus Studien,
die in der englischsprachigen medizinischen Fachliteratur veröffentlicht
wurden, hat er über 400 Todesfälle dokumentiert, die direkt oder
indirekt durch Elektroschocks verursacht wurden. Die wahre Zahl
solcher Todesfälle ist zweifellos viel größer, doch sind diese
Fälle vertuscht oder einfach nicht vermeldet worden.
Empfehlungen
-
Elektroschocks sollten voll und ganz verboten werden, da
dieses Verfahren grundsätzlich gesundheitsgefährdend ist und
zu Hirnschäden führt, darunter zu dauerhaftem Gedächtnisverlust.
-
Die Meldung von Elektrokrampfanwendungen sollte per Gesetz
zur Pflicht gemacht werden. Die Meldungen sollten nach Provinz
bzw. Bundesstaat, Krankenhaus, Alter und Geschlecht aufgeschlüsselte
Statistiken über die Zahl dieser Behandlungen enthalten sowie
Vermerke über alle gesundheitlichen Folgen und medizinischen
Komplikation, einschl. Tod. Diese verbindlichen Meldungen
müssen an alle zuständigen Behörden gehen und in einer speziellen
Datenbank gespeichert werden. Die jährlichen Elektroschockstatistiken
sind unter Geheimhaltung der Identität der Patienten der Öffentlichkeit
zugänglich zu machen.
-
Unter Leitung eines unabhängigen Gremiums sollten zur Aufklärung
von gesetzgebenden Organen und Gesundheitsbehörden öffentliche
Anhörungen stattfinden mit Aussagen von Elektroschock-Überlebenden.
Don Weitz und Carla McKague sind Mitbegründer von 'Phoenix Rising',
der ersten ganz von Psychiatrie-Erfahrenen geleiteten antipsychiatrischen
Zeitschrift Kanadas. In den zehn Jahren, in denen 'Phoenix Rising'
in Toronto erschien (1980-1990), stellte sich die völlig unabhängige
Zeitschrift entschlossen dem Psychiatriesystem entgegen, deckte
zahlreiche Fälle von Schädigungen und Misshandlungen auf und trat
als kraftvolle Stimme von Psychiatrie-Erfahrenen und -Insassen
für deren Rechte ein. Weitz ist zudem führendes Mitglied der antipsychiatrischen
'Coalition Against Psychiatric Assault' (CAPA), die im April 2005
im Rathaus von Toronto öffentliche Anhörungen zu Psychopharmaka
und Elektroschockbehandlungen mit organisierte. Die Berichte
der Psychiatrie-Überlebenden werden in diesem Jahr auf der CAPA-Webseite:
http://capa.oise.utoronto.ca veröffentlicht werden.
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