Homepage des Antipsychiatrieverlags
Amerikanisches Original unter dem Titel "Zyprexa: A prescription
for diabetes, disease and early death", in: Street Spirit
A publication of the American Friends Service Committee
(Eine Publikation des American Friends Service Committee)
(San Francisco), 8. Jg. (2005), Nr. 8, S. 7 und 9. Originaltext
siehe https://thestreetspirit.org/2005/08/01/zyprexa-a-prescription-for-diabetes-disease-and-early-death/
Leonard
Roy Frank
Zyprexa: Ein Rezept für Diabetes, Krankheit
und frühen Tod
Übersetzung aus dem Amerikanischen von Thomas
Gotterbarm
In der Zyprexa-Gruppe gab es 20 Todesfälle, darunter
12 Selbstmorde. Es ist skandalös, dass die wissenschaftliche
Literatur diese Todesfälle jedoch gar nicht erwähnt.
Auch in den Berichten über Ergebnisse aus Studien zu
anderen Atypischen Neuroleptika wurden Todesfälle verschwiegen.
Die Zulassung dieser Medikamente durch die amerikanische
Arzneimittelbehörde Federal Drug Association (FDA)
ist empörend, denn diese Todesfälle traten in
den Studien schon nach sehr kurzer Zeit auf.
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Leonard R. Frank
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Am 8. Juni 2005 gab das Pharmaunternehmen Eli Lilly & Co. bekannt,
man habe sich auf 690 Millionen Dollar Schadensersatz geeinigt zur
Beilegung von rund 8000 Klagen vor Gericht, eingereicht von Menschen,
die bei der Einnahme des Neuroleptikums Zyprexa Gewichtszunahme,
Diabetes, andere Stoffwechselstörungen und Todesfälle
beobachtet hatten.
Zyprexa, Lillys meistverkauftes Medikament, wird zur Behandlung
von Schizophrenie und zur kurzzeitigen Therapie manischer Phasen
bei einer bipolaren Störung eingesetzt. 2500 weitere Kläger
weigerten sich, der Einigung mit Lilly zuzustimmen, vermutlich,
weil sie den Betrag, den jeder Kläger erhalten sollte, durchschnittlich
62.500 Dollar, für zu gering hielten als Entschädigung
für die durch Zyprexa erlittenen Schmerzen und Qualen.
Am 21. Juli veröffentlichte Eli Lilly seine Bilanz für
das zweite Quartal 2005, aus der hervorging, dass man zur Deckung
der aus diesen Klagen erwachsenen Verbindlichkeiten 1,07 Milliarden
Dollar bereitgestellt hatte, 380 Millionen Dollar mehr als der
Betrag, auf den man sich mit den Klägern geeinigt hatte.
Diese zusätzliche Summe war zur Deckung der Verbindlichkeiten
und Anwaltskosten aus jenen 2500 Klagen gedacht, wo es zu keiner
Einigung gekommen war [Bericht auf Forbes.com, Ausgabe 21.7.2005].
Da die Meldungen über die außergerichtliche Einigung
möglicherweise zu weiteren Schadensersatzklagen führen,
kann es durchaus sein, dass Eli Lilly mehr Geld aufwenden muss,
als diese vorgesehenen 1,07 Milliarden Dollar.
Seit seiner Markteinführung 1996 haben Eli Lilly zufolge
etwa 17 Millionen Menschen in 86 Ländern Zyprexa eingenommen.
Es ist zwar nicht möglich, die genaue Zahl der Opfer des
Medikaments zu ermitteln, doch lässt sich mit Gewissheit
sagen, dass Zyprexa bei Millionen von Patienten zu Diabetes und
anderen Krankheiten geführt hat, und dass Zehntausende daran
gestorben sind oder vorzeitig sterben werden.
Trotz dieser Fakten haben sich die Medien mit den Schadensersatzklagen
kaum befasst. Trotz dieser Fakten war im Repräsentantenhaus
oder in den Fernsehnachrichten keine einzige Stimme der Empörung
und des Protestes zu hören. Und trotz dieser Fakten hat Eli
Lilly nichts unternommen, um die Öffentlichkeit vor den möglicherweise
verheerenden Folgen einer Zyprexa-Einnahme zu warnen, sondern
scheffelt bis heute weiterhin Profite aus dem Verkauf des Medikaments.
Zyprexa, generische Bezeichnung: Olanzapin, gehört zu einer
Kategorie von Psychopharmaka, die als Atypische Neuroleptika bekannt
sind. Andere Mittel dieser Gruppe sind Clozapin von Novartis (deutschsprachige
Handelsnamen Clopin, Clozapin, Elcrit, Froidir, Lanolept, Leponex,
Olansek - P.L.), Risperidon von Janssen (Risperdal), Quetiapin
von AstraZeneca (Seroquel), Aripiprazol von Bristol-Myers Squibb
(Abilify) und Ziprasidon von Pfizer (Zeldox).
Das erste Atypische Neuroleptikum, Clozapin, kam 1990 auf den
Markt (in Deutschland erstmals 1972, Anm. d. Übs.). Die Hersteller
werben für diese Medikamente mit der Behauptung, sie seien
wirksamer und sicherer als die herkömmlichen Neuroleptika
wie Chlorpromazin (deutschsprachige Handelsnamen Chlorazin, Chlorpromazin,
Propaphenin - P.L.) oder Haloperidol (deutschsprachige Handelsnamen
Haldol, Haloper, Haloperidol, Sigaperidol - P.L.), die seit den
1950er Jahren erhältlich sind.
Dank einer gewaltigen Werbekampagne durch die Atypika-Hersteller
setzte sich der Glaube an diese unbewiesenen Behauptungen überall
durch, mit dem Ergebnis, dass die Pharmafirmen für die neuen
Medikamente wesentlich mehr Geld verlangen können als für
die alten. Eine Monatsration Zyprexa kostet heute etwa 380 Dollar,
10-30mal so viel wie die Monatspackung eines herkömmlichen
Neuroleptikums.
Der weltweite Neuroleptika-Umsatz ist von 500 Millionen Dollar
im Jahr 1993 (fast alles herkömmliche Neuroleptika) auf mehr
als 14 Milliarden Dollar im Jahr 2004 angestiegen (13 Milliarden
davon entfallen auf die Atypika).
Seit mehr als zehn Jahren verharmlosen die Pharmahersteller beharrlich
einige der mit der Einnahme von Atypika verbundenen schwerwiegenden
Gefahren. Der Psychiater E. Fuller Torrey, einer der entschiedensten
Befürworter der medikamentösen Behandlung von Schizophrenie,
berichtete über eine der Methoden, mit der Ärzte und
Öffentlichkeit getäuscht werden:
"Die Psychiater, die versuchen, ein Schizophrenie-Medikament
zu beurteilen, erfahren nicht, dass der Experte, der die Nebenwirkungen
von Zyprexa verharmlost, von Eli Lilly 10.000 Dollar Honorar erhält
und außerdem Lilly-Aktien in beträchtlichem Umfang
besitzt." [American Prospect, 15.7.2002]
Angesichts der Häufung von Hinweisen auf die Schädlichkeit
dieser Medikamente verpflichtete die FDA schließlich
2003 alle Atypika-Hersteller dazu, die Arzneimittelpackungen
wegen des erhöhten Diabetes-Risikos mit einem entsprechenden
Warnhinweis zu versehen.
Die Anwaltskanzlei Hersh and Hersh aus San Francisco, die etwa
400 Kläger gegen Eli Lilly vertritt, warf dem Pharmaunternehmen
vor, es habe bis zum Jahr 2003 ""potentiell mit Zyprexa
behandelten Patienten in betrügerischer Weise wichtige Informationen
vorenthalten"." Eli Lilly habe Ärzte und Patienten
wider besseren Wissens nicht davor gewarnt, dass Zyprexa zu schädlichen
und unter Umständen sogar tödlichen Nebenwirkungen durch
Gewichtszunahme und Diabetes führen könne.
Eine solche Warnung hätte viele Ärzte dazu veranlasst,
geringere Zyprexa-Dosierungen zu verschreiben und regelmäßig
den Blutzuckerspiegel ihrer Patienten zu messen. Möglicherweise
hätten manche Ärzte auch ganz damit aufgehört,
das Medikament zu verordnen.
Mit solchen Vorsichtsmaßnahmen hätte es zweifellos
weniger durch Zyprexa bedingte Diabetes- und Todesfälle
gegeben. Ehrlichkeit zählt jedoch nicht zu Eli Lillys
Stärken, wenn der Profit auf dem Spiel steht. Die Veröffentlichung
der entsprechenden Fakten hätte ganz gewiss den Umsatz
des Kassenschlagers Zyprexa gemindert (auf Platz 5 der Liste
der weltweit am häufigsten verkauften rezeptpflichtigen
Arzneimittel), der 2004 mit einem Ertrag von 4,4 Milliarden
Dollar ein Drittel des Gesamtgewinns von Eli Lilly ausmachte.
Für Eli Lillys Umsätze ist das Medikament von überragender
Bedeutung. Die Firma scheint eine regelrechte Zyprexa-Abhängigkeit
entwickelt zu haben, aus der sie nur schwer wieder herausfinden
wird. Aus den Zyprexa-Umsätzen erwirtschaftet Eli Lilly
auch indirekt Profit. Es ist eine grausame Ironie, dass das
Unternehmen mit dem Verkauf eines Medikaments, das zu Diabetes
führen kann, Geld scheffelt, während gleichzeitig
vier seiner meistverkauften Arzneimittel Diabetes-Therapeutika
sind, darunter die Insulin-Präparate Humulin und Humalog,
die jeweils einen Jahresgewinn von einer Milliarde Dollar
abwerfen. Auf diese Art schafft sich Lilly einen treuen Kundenstamm.
Patienten, Ärzte und Öffentlichkeit haben von Zyprexas
beschämender Geschichte praktisch keine Ahnung. Auf Grundlage
der Ergebnisse einer durch Eli Lilly finanzierten sechswöchigen
Studie erteilte die FDA am 27.9.1996 der Firma die Genehmigung,
das Medikament herzustellen und zu vertreiben. An der Zyprexa-Studie
hatten 2500 Probanden teilgenommen, von denen zwei Drittel
die Studie nicht einmal erfolgreich abgeschlossen hatten.
Von denen, die an der Studie bis zum Ende teilgenommen hatten,
erlitten 22% "ernsthafte" Nebenwirkungen, verglichen
mit 18% in der Vergleichsgruppe der Haldol-Probanden.
Die FDA fand heraus, dass es während der sechswöchigen
Studie bei den Probanden zu einer Gewichtszunahme von durchschnittlich
einem halben Kilogramm pro Woche gekommen war. Die Versuchspersonen,
die an der Langzeitstudie teilnahmen, nahmen pro Jahr um 13
kg zu. Zu den weiteren Nebenwirkungen zählten Zittern,
Krämpfe, Müdigkeit, Blutzucker-Komplikationen, erhöhter
Puls, Unruhe, Verstopfung, epileptische Anfälle, Probleme
mit der Leber, Störungen der weißen Blutkörperchen
und Blutdruckabfall.
In der Zyprexa-Gruppe gab es zudem 20 Todesfälle, darunter
12 Selbstmorde. Es ist skandalös, dass die wissenschaftliche
Literatur diese Todesfälle jedoch gar nicht erwähnt.
Auch in den Berichten über Ergebnisse aus Studien zu
anderen Atypischen Neuroleptika wurden Todesfälle verschwiegen.
Die Informationen über diese Todesfälle stammen
aus FDA-Dokumenten, die der Wissenschaftsjournalist Robert
Whitaker ausgewertet hat. Ihm zufolge kam auf 145 Probanden,
die an Studien zu Zyprexa, Risperdal, Seroquel und Serdolect
teilgenommen hatten, je ein Todesfall [s. "Mad in America:
Bad Science, Bad Medicine, and the Enduring Mistreatment of
the Mentally Ill" von Robert Whitaker].
Angesichts dieser Todesfälle ist die Zulassung von 3
der 4 getesteten Medikamente (Serdolect wurde nicht genehmigt)
durch die FDA empörend, denn die Todesfälle traten
in den Studien schon nach sehr kurzer Zeit auf. Nicht nur
das Zulassungsverfahren der FDA wird dadurch fragwürdig,
sondern auch die Unparteilichkeit der Behörde.
Im Falle von Zyprexa sind Eli Lillys Verbindungen mit den
beiden Bush-Administrationen öffentlich dokumentiert.
Der frühere amerikanische Präsident George H. W.
Bush saß einst im Vorstand von Eli Lilly. Im Jahr 2000
leistete Lilly Wahlkampfspenden von insgesamt 1,6 Millionen
Dollar, von denen 82% an George W. Bush und andere Republikaner
gingen. 2001 ernannte Präsident Bush Lillys früheren
stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden Mitch Daniel zum Leiter
der Bundesbehörde Office of Management and Budget (Amt
für Management und Haushalt). Ein Jahr später wurde
Lillys gegenwärtiger Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer
von Präsident Bush in den neu eingerichteten Homeland
Security Council (Heimatsicherheitsrat) berufen.
Die Tatsache, dass diese Todesfälle in den in der Fachliteratur
veröffentlichten FDA-Prüfberichten über Atypika-Studien,
auf die Psychiater und andere Ärzte als Richtlinie für
ihre Verschreibungen angewiesen sind, nicht erwähnt wurden,
ist ein Beweis für die Komplizenschaft der beteiligten
Pharmafirmen mit den Psychiatern, die für diese Unternehmen
Artikel verfassten, und den Chefredakteuren der Fachpresse,
die diese Artikel veröffentlichten.
In jüngster Zeit erschienen in den Medien einige Berichte
über Todesfälle durch Atypika, doch waren dies zumeist
einmalige Meldungen in einigen wenigen Zeitungen, die zu keinen
Reaktionen führten. Die gemeldeten Todesfälle waren
in der Regel auf Gewichtszunahme und/oder Diabetes zurückzuführen.
So starb z. B. im Februar 2001 der Fernfahrer Frank Olenick
aus Ohio im Alter von 40 Jahren, nachdem er in ein Diabetes-Koma
gefallen war. Aus der Klage seiner Witwe Christine Olenick
gegen Eli Lilly geht hervor, dass er Zyprexa zur Therapie
von Depressionen und Entzugssymptomen eines Schmerzmittels,
mit dem er nach einem Arbeitsunfall behandelt worden war,
eingenommen hatte. Zwei Monate nach Beginn der Zyprexa-Behandlung
brachte Frau Olenick ihren kranken Ehemann in die Klinik,
wo sie von einer Krankenschwester erfuhr, dass dessen Blutzuckerspiegel
um das 15fache erhöht war, obwohl der Mann gar keine
Diabetes hatte. Eine Stunde später fiel er Frau Olenick
zufolge ins Koma und starb. [Indianapolis Star, 16.3.2003]
Der 39jährige Rob Liversidge aus Maryland wiederum hatte
durch eine Zyprexa-Behandlung seiner Manischen Depression
mehr als 50 kg zugenommen. Die durch das Übergewicht
ausgelösten gesundheitlichen Probleme beendeten seine
Beamtenlaufbahn. Eine Woche bevor er nach langer Arbeitslosigkeit
eine neue Stelle antreten sollte, brach er zusammen und wurde
ins Krankenhaus eingeliefert, wo er trotz sofortiger Behandlung
ins Koma fiel und vier Tage später starb. [Baltimore
Sun, 19.3.2003]
Diese beiden Fälle gelangten in die Presse. Die meisten
der durch Zyprexa verursachten Komplikationen und Todesfälle
wurden jedoch vertuscht oder als solche gar nicht anerkannt.
Eine Ausnahme bildet P. Murali Doraiswamys Bericht über
Komplikationen bei Zyprexa-Konsumenten, die er sechs Jahre
lang aus eigenem Antrieb an die FDA gemeldet hatte.
Doraiswamy, Leiter der Abteilung für Biologische Psychiatrie
an der Duke University, schrieb:
"Unter den 289 Diabetes-Fällen, die mit
der Einnahme [von Zyprexa] in Zusammenhang standen, waren
225 Neuerkrankungen. 100 Patienten erkrankten an einer Ketosis
(einer schweren Diabetes-Komplikation), 22 an einer Pankreatitis,
einer lebensgefährlichen [Bauchspeicheldrüsen-]Störung.
Es gab 23 Todesfälle, darunter der eines 15jährigen
Jugendlichen, der an einer Pankreas-Nekrose starb, einer Erkrankung,
bei der die Bauchspeicheldrüse abstirbt. Die meisten
Fälle (71%) traten innerhalb der ersten sechs Monate
nach Beginn der medikamentösen Behandlung auf und standen
mit einer leichteren Gewichtszunahme in Zusammenhang."
[Pharmacotherapy, Juli 2002]
Bei älteren Menschen mit einer Demenz bestehen bei der
Einnahme von Zyprexa und anderen Atypika zusätzliche
Risiken. Anfang 2005 analysierte die FDA die Befunde aus 17
placebokontrollierten Studien zu Atypika, darunter Zyprexa.
Die Behörde fand heraus, dass ältere Patienten mit
einer Demenz eine 1,6- bis 1,7fach höhere Sterblichkeitsrate
hatten als die, die Placebos erhielten. Die meisten starben
an Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Infektionen wie einer Lungenentzündung.
Nach dieser Analyse verpflichtete die FDA die Atypika-Hersteller,
diese Medikamente mit einem sog. Black-Box-Warnhinweis für
ältere Patienten mit Demenz zu versehen. Black-Box-Warnhinweise
sind jenen Arzneimitteln vorbehalten, die die schwerwiegendsten
Nebenwirkungen haben. [New York Times, 12.4.2005]
Für Kinder und Jugendliche gibt es bei Zyprexa jedoch
keinen solchen Warnhinweis, und das Medikament wird jungen
Menschen immer häufiger verschrieben. Für Kinder
hat das Mittel gar keine FDA-Zulassung, doch verordnen viele
Ärzte Zyprexa und andere Atypika bei Autismus, Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom,
Hyperaktivität, sozialem Rückzug und aggressivem
Verhalten. Vor allem Kinder in Pflegeheimen sind dieser Form
des medizinischen Missbrauchs ausgesetzt.
Gewichtszunahme ist die in vieler Hinsicht beunruhigendste
Nebenwirkung, denn sie verursacht viele andere Probleme. Diese
Gewichtszunahme darf man nicht verharmlosen, wie es Dr. Alan
Breier tat, der stellvertretende Vorsitzende von Eli Lillys
Verkaufsabteilung und Leiter der Zyprexa-Arbeitsgruppe. Am
16. April 2003 erklärte er im Indianapolis Star,
Zyprexa führe, wie einige andere Neuroleptika auch, bei
etwa der Hälfte der Patienten zu Gewichtszunahme. Die
richtigere Formulierung wäre gewesen: zu extremer Gewichtszunahme.
Zudem nimmt praktisch jeder, der Zyprexa erhält, zumindest
etwas an Gewicht zu. Breier meinte auch, Übergewicht
sei zwar ein Risikofaktor für Diabetes, führe jedoch
nicht zwangsläufig dazu. Das ist nicht ganz falsch, auch
Rauchen löst nicht zwangsläufig Lungenkrebs aus,
doch verursacht extreme Gewichtszunahme eben extremes Übergewicht,
und gesundheitsgefährdendes Übergewicht hat in den
USA inzwischen das Ausmaß einer Epidemie angenommen.
Die Korpulenz erhöht das bei Zyprexa ohnehin schon bestehende
Diabetes-Risiko. In Amerika gibt es heute 18 Millionen Diabetiker.
Mit mehr als einer halben Million Patienten, die Zyprexa erhalten,
wird diese schon gefährliche Situation noch verschärft.
Der folgende Auszug aus dem am 11.3.2002 in Newsweek
erschienenen Artikel von Sharon Begley, in dem Zyprexa in
vieler Hinsicht positiv gesehen wird, veranschaulicht das
Übergewichtsproblem und schildert die Wirkungen des Medikaments:
"Obwohl die Stimmen und Visionen nicht immer
verschwinden, ermöglichen es die neuen Medikamente [d.
h. die Atypika] den Schizophrenie-Betroffenen, einem Beruf
nachzugehen und eine Familie zu gründen. Dennoch verstärken
sie den Appetit und verändern möglicherweise auch
den Stoffwechsel, was zu dem führt, das [Richard Wyatt,
Leiter der Abteilung Neuropsychiatrie am National Institute
of Mental Health] das 'riesige Problem' der extremen Gewichtszunahme
nennt. [Donna Willey, eine für den Artikel interviewte
Patientin] nimmt mit Zyprexa pro Jahr um 10 kg zu. Wog sie
vor der Behandlung 60 kg, so sind es gegenwärtig 140.
Dies hält manche Patienten davon ab, die Medikamente
zu nehmen. Eine weitere Nebenwirkung ist benebeltes Denken,
ein Gefühl, als ob die Gehirnsignale sich durch Karamel
kämpfen müssten. Viele Patienten verlieren zudem
Libido und Potenz. So wirksam die neuen Medikamente auch sein
mögen, sie behandeln die Symptome, sie heilen nicht."
Reduzierte Leben, verkürzte Leben, zerstörte Leben!
Welchen Nutzen hat so viel Qual und Leid überhaupt? Eine
Analyse von 52 Studien, an denen 12.649 Patienten teilgenommen
hatten, kam zu dem Schluss:
"Es gibt keine eindeutigen Belege dafür,
dass die Atypischen Neuroleptika wirksamer oder verträglicher
sind als die herkömmlichen Medikamente." [John Geddes
et al., British Journal of Psychiatry, Dezember 2000]
Eli Lillys Geschäftsführung übernimmt jedoch
keine Verantwortung für die verursachten Schäden.
Man entschuldigte sich nicht, man bedauerte nichts, man leugnete
lediglich weiter. Die außergerichtliche Einigung kommentiere
Eli Lillys Vorstandsvorsitzender Sidney Taurel wie folgt:
"Wir halten die Schadensersatzforderungen zwar
für unbegründet, doch haben wir uns zu diesem schweren
Schritt entschlossen, weil wir denken, dass es im Interesse
der Firma, der auf dieses Medikament angewiesenen Patienten
und der Ärzte liegt. Wir wollten die erhebliche Verunsicherung
aus der Welt schaffen, die mit solchen komplexen Gerichtsverfahren
verbunden ist."
Dies waren keine beiläufigen Bemerkungen, die Aussage
findet sich in Eli Lillys Presseerklärung zu der Einigung.
Eine solche Reaktion wäre lachhaft, wäre das Thema
für die Öffentlichkeit und die Eli-Lilly-Aktieninhaber
nicht so ernst. Was mögen die Aktieninhaber wohl denken
über einen Vorstandsvorsitzenden, der die Zahlung von
690 Millionen Dollar anordnet als Schadensersatz, der seiner
Meinung nach "unbegründet" ist?
In Anbetracht der Rentabilität von Zyprexa werden sich
die Eli-Lilly-Aktieninhaber jedoch kaum beschweren. Die Schadensersatzzahlung
fällt einfach unter die Geschäftskosten. Was sind
schon 690 Millionen oder gar 1,07 Milliarden Dollar im Vergleich
zu den vielen Milliarden Dollar Gewinn, die Zyprexa seit seiner
Markteinführung vor neun Jahren abgeworfen hat, ganz
zu schweigen von den zu erwartenden künftigen Profiten?
Wie haben sich diese jüngsten Rechtsstreitigkeiten auf den
Absatz von Zyprexa und den Eli-Lilly-Aktienkurs ausgewirkt? Im
zweiten Quartal 2005 ist der weltweite Absatz von Zyprexa im Vergleich
zum selben Quartal im Vorjahr um 10% gefallen, während er
in den USA um 21% abgenommen hat. Wichtiger für die Aktieninhaber
ist jedoch, dass der Eli-Lilly-Kurs um rund 16% gefallen ist,
von 67,30 Dollar Höchststand in den letzten zwölf Monaten
auf 56,32 Ende Juli 2005.
Durch die betrügerischen Geschäftspraktiken des Energiekonzerns
Enron haben viele Menschen ihre Ersparnisse verloren. Durch Eli
Lillys betrügerische Arzneimittelinformation haben
noch mehr Menschen ihre Gesundheit oder ihr Leben eingebüßt.
Anders als beim Enron-Skandal jedoch wurde keiner der Verantwortlichen
von Eli Lilly verhaftet oder eines Vergehens angeklagt. Dass der
Vorstand von Eli Lilly vor Gericht steht, wird in absehbarer Zeit
kaum geschehen.
Was kann nun getan werden? Ob man es Verbrechen nennt oder
Tragödie, die Angelegenheit ist auf jeden Fall ein Problem
der öffentlichen Sicherheit von gewaltigem Ausmaß
und erfordert das Eingreifen der Regierung. Eine bloße
Warnung der Patienten vor den schweren Nebenwirkungen von
Zyprexa reicht als Schutzmaßnahme nicht aus.
Als das Medikament Thalidomid (Contergan) Anfang der 1960er
Jahre zu schrecklichen Missbildungen bei Tausenden von Neugeborenen
führte, wurde es von der FDA verboten. Wie viele Menschen müssen
noch sterben, bis die Regierung sich entschließt, die Bürger
durch ein Verbot von Zyprexa zu schützen?