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Peter Lehmann, Peter Stastny (Hg.) - Statt Psychiatrie 2
hinzugefügt: 11-01-2008
Antipsychiatrieverlag, Berlin 2007, 448 Seiten, kartoniert. Preis: 24,90 EUR
ISBN 978-3-925931-38-3


Nach 14 Jahren geben Peter Lehmann und Peter Stastny eine 2. Ausgabe von „Statt Psychiatrie“ heraus. Darin enthalten sind in besonderem Maße Gedanken, Beschreibungen und Hoffnungen Psychiatrie-Erfahrener, Angehöriger sowie Professioneller aus dem unmittelbaren (Therapeuten u. Wissenschaftler) und mittelbaren (Juristen) Umfeld psychiatrischer Institutionen.

Ist es noch oder wieder „zeitgemäß“ von einem Gegenpol der Psychiatrie zu sprechen - was zumindest der Titel dieses Sammelbandes andeutet? Zunächst müsste eine definitorische Erklärung her, was genau unter dem Begriff Psychiatrie zu verstehen ist. In einer Zeit multipler Deutungen und individueller Lebensentwürfe scheint diese Frage immer schwieriger beantwortet werden zu können. Schließlich findet man in den zahlreichen, detailliert geschilderten Beiträgen eine Vielzahl von Antworten - insbesondere zum Umgang mit psychischen Krisen und dem System Psychiatrie.

Dabei bleiben Verlag und Herausgeber keineswegs nur auf deutsche oder europäische Verhältnisse beschränkt, sondern sie erweitern den Blick auf weltweite, in vielen Fällen erfolgreich verlaufende Heilungsversuche Psychiatrie-Erfahrener. Gleichermaßen spielen die alternativen, teilweise gut belegbaren Strategien und Bewältigungsversuche der Mitwirkenden eine wesentliche Rolle bei der gelungenen Synthese von Zwangsvermeidung und „weichen“ Formen der (Selbst)-Behandlung.

Das Buch bietet mehr als nur den sprichwörtlichen Blick über den Tellerand hinaus. Es zeigt, wie stark und dynamisch die Selbsthilfe-Bewegung Psychiatrie-Erfahrener in den letzten Jahren geworden ist und es versteht, Intoleranz und Ingnoranz zu überwinden. Bei einer großen Anzahl von Patient/-innen führen unerwünschte psychiatrische Maßnahmen nach wie vor zu lang andauernden und vermeidbaren psychischen (Trauma) oder physischen (erhöhte Mortalität) Schädigungen. Sich davor zu schützen und/oder im Vorfeld von Krisen umfassender aufgeklärt zu sein stellt ein Anliegen der Herausgeber dar.

Viele der Beiträge verdeutlichen exemplarisch die kreativen Anstrengungen Psychiatrie-Erfahrener. Aber auch die andere Seite - die der professionellen Mitarbeiter/-innen von Einrichtungen und Diensten - wird vorgestellt. Das Buch enthält darüber hinaus nicht nur die positiv verlaufenen Entwicklungen, sondern erzählt auch von Widerständen, Beschränkungen und Leiden.

Wer sich eine andere, alternative Welt zur gegenwärtigen Psychiatrie erschließen möchte, ist mit „Statt Psychiatrie 2“ bestens bedient. Im Bereich der (anti)psychiatrischen Selbsthilfebewegung vereint das Buch viele Denkanstöße und eignet sich somit hervorragend als Standardwerk moderner reflexiver Sozialforschung.

Rezension von Michael Horn
Blankenburg, 11.01.2008