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zu Gehirn-Wäsche
Elisabeth Reuter
Gehirn-Wäsche Macht und Willkür in der »systemischen
Psychotherapie« nach Bert Hellinger
Rezensionen
Theodor Ittenin: à jour Zeitschrift
des Schweizer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten Verband (SPV),
Nr. 31 (Juli 2005), S. 19-20
Elisabeth Reuter: 1945 geboren, ist freie Malerin mit zahlreichen Ausstellungen.
Für einige Jahre schrieb sie als freie Journalistin für den
NDR und andere Sender sowie für Tageszeitungen und Zeitschriften.
Sie macht Bilderbücher mit eigenen Texten und Illustrationen, die
bisher in neun Sprachen übersetzt und mehrfach ausgezeichnet wurden.
Literaturpreisträgerin 1997 für Kinder- und Jugendliteratur
(Berlin).
Die Autorin beschreibt ihre Erfahrung einer Pseudo-Psychotherapie, in
der sie mit ihrem Kummer und Leid, als väterliches Gewaltopfer, sich
gnadenlos eingezwängt fühlt zwischen ihrer Hoffnung nach Erlösung
vom Leid und der absolut unfachlichen, unprofessionellen Willkür
ihres Therapeuten, der selber den starren, nach Omnipotenz und absoluter
Macht lechzenden Lehren des Bert Hellinger, verfallen war. Sie beschreibt
den Verlauf einer therapeutischen Behandlung, die gar keine war, weil:
«... im Zusammenhang mit meiner Klage, erfuhr ich zu meinem Erstaunen,
daß mein Therapeut überhaupt nicht therapeutisch ausgebildet war.
Als ich damals einen geeigneten Therapeuten suchte, schien er mir vor
allem wegen seiner Doppelqualifikation besonders kompetent zu sein, da
er Allgemeinmediziner und zudem Facharzt für Psychotherapie war...,
doch die Berufsbezeichnung wurde ihm von der Ärztekammer geschenkt:
Nach der damaligen Übergangsregelung in Niedersachsen erhielten Mediziner
in den neunziger Jahren das Recht, sich ohne Facharztausbildung und ohne
Facharztprüfung «Facharzt für Psychotherapie» zu nennen,
wenn sie nachwiesen, dass sie in den vergangenen fünf Jahren eher
psychotherapeutisch als medizinisch gearbeitet hatten.» (S. 173)
Also ein Scharlatan! Was sie hier in diesem schmerzvollen Buch an «therapeutisch»
manipulativen Erlebnissen ausbreitet, ist für mich als professioneller
Psychotherapeut und als ehemaliger Patient kaum vernunftmässig fassbar.
Sie ging nicht nur als Gewaltopfer in diese Therapie, sondern wird im
Verlauf dieser Hellingerschen Behandlung immer mehr zu einem Therapieschadenopfer.
Ihr Ringen dauerte über zwei Jahre, um diesen Teufelskreis einer
Psychosekte verlassen zu können. Dazu benötigte sie hilfreiche
Gespräche mit einer Psychologin in einem Zentrum für Missbrauchopfer,
die diese verrückmachende Kommunikation, die der Therapeut mit ihr
betrieb, als das benannte, was sie war: «schlimmste Manipulation
und schwerster Machtmissbrauch». Mit Hilfe einer echten Psychotherapeutin
konnte sie sich vollends aus dieser unheilvollen Zwangslage befreien.
Sei schreibt im Kapitel: Ritualsätze und Hellingerschen Kommunikation:
«Obwohl kaum mehr steigerungsfähig, entwickelte sich bei mir
eine immer unglaublichere Furcht vor meinem Therapeuten, gekoppelt an
mein nicht zu kontrollierendes Verhalten, ihn weiter in allen seinen Erwartungen
zu bestätigen, damit ich von ihm nicht verstossen würde. Immer
schneller und schärfer prallten die gegensätzlichsten Gefühle
aufeinander Wut und Empörung, gefolgt von Hoffnung und einem
gläubigen Vertrauen in meinen Therapeuten.» (S. 138) Eine sehr
schmerzvolle und selbstzerstörerische Kollusion. Mit der Zeit ihrer
Befreiung konnte sie wieder klar sehen was Sache war, genau reflektieren,
wozu ihr dies alles widerfahren musste. Sie beschreibt als erste, ehemalige
Patientin überhaupt, wir Bert Hellingers Scharlatanerie im Therapeutengewand,
seine heilsversprechende Ideologie, auf ihre Seele in Not wirkte.
Die klugen Worte Klaus Webers, Professor der Psychologie der FH München,
in seinem Nachwort beschreiben das Unterwerfungsprojekt Bert Hellingers.
Er zeigt auf, wie die Verteufelung der Erinnerung, die Schuldzuweisung
an die Frauen, das Prinzip Verantwortungslosigkeit und die dazugehörige
Sektenwirtschaft funktioniert. «Möge das Buch denjenigen eine
Hilfe sein, die sich selbst aus krank und unglücklich machenden Bedingungen
befreien wollen, mögen diese in Form Hellingerscher Psychotherapieangebote
oder sonstiger Abhängigkeitsverhältnisse auftreten.»
Monika Gerstendörferin: Zeitschrift für Politische Psychologie,
11. Jg. (2003 [erschienen 2005]), Nr. 4, S. 429
»Es war 1953. Wir wohnten seit kurzem in einer Kleinstadt mitten
in der Lüneburger Heide. Das Arbeitszimmer meines Vaters ließ
kein Geräusch nach außen dringen, auch nicht das lauteste Weinen
von uns Kindern, was bei väterlichen Strafaktionen nützlich
war ...« Die kleine Elisabeth wird 1945 in eine Familie hineingeboren,
in der der Vater mehr als ein Tyrann ist: »ein Meister der Gewalt«.
Systematisch, grausam und hinterhältig zerstört er alles, was
der Tochter etwas bedeutet. Er ist überzeugt, dass man spätestens
bis zum dritten Lebensjahr den Willen eines Kindes gebrochen haben sollte.
Die Mutter hilft wie so oft nicht. Zwar stirbt der sadistische
Vater, als sie 12 Jahre ist, doch seine Stimme, das Gemurmele in ihr,
geht weiter. Wieder und wieder wird das Kind, die Jugendliche, die erwachsene
Frau eingeholt von Bildern und Erfahrungen aus der Vergangenheit und eben
dieser Stimme.
Elisabeth Reuter ist heute eine bedeutende Künstlerin. Ihre Zeichnungen,
Bilder und Illustrationen sind von großer Intensität
und voller Wärme und Liebe. Wie sie all das schützen oder neu
gewinnen konnte, ist ein zentraler Aspekt dieses Sachbuchs oder autobiographischen
Tatsachenromans.
An einem Punkt ihres Lebens erkennt Elisabeth, dass sie dringend Hilfe
braucht. Es folgt ein steiniger Irrweg; Therapeuten und Ärzte erlebt
sie zumeist als ängstliche, »hilflose Helfer«, die lieber
Medikamente verabreichen, als sich auf einen Menschen einzulassen. Endlich
findet sie einen, der anders wirkt einen Hellinger-Jünger.
Vielleicht hat er weniger Angst, auf jeden Fall hat er keinerlei Ethik,
menschliche oder fachliche Skrupel. In der Tradition der Opfer-Täter-Verkehrungen
Hellingers macht er das Kind für die sadistische Gewalt des Vaters
verantwortlich. Dann probiert er Hypnomethoden an ihr aus. Seine »Diagnose«:
Der Vater habe sie sexuell missbraucht. Elisabeth kann sich zwar an nichts
dergleichen erinnern, doch der »Therapeut« lässt nicht
locker. Von gezieltem Double-Bind über intermittierende Verstärkung
bis zu zahlreichen Grenzüberschreitungen (Hausbesuch) setzt er ein
ganzes Spektrum unvertretbarer, unethischer, destabilisierender und belastender
Techniken ein. Das Buch heißt nicht umsonst »Gehirn-Wäsche«.
Im Nachwort spricht Klaus Weber denn auch deutlich Querverbindungen der
Hellinger-Schule zu faschistischen Denkmustern an.
Nach solchen Fallberichten ist vollends unvertretbar, dass Krankenkassen
(vereinzelt) weiterhin Behandlungen nach Hellingers Machart
bezahlen. Die hier dargestellten Erfahrungen dokumentieren den sektenartigen
Charakter vollkommener Selbstauslieferung der Patientin, verbunden mit
erheblichen Risiken für Wohlbefinden und Gesundheit der Behandelten.
Ein solches Vorgehen schädigt aber indirekt auch alle Menschen, die
angemessene Hilfe benötigen, weil das Vertrauen in eine seriöse,
wirkungsorientierte Therapien in Mitleidenschaft gezogen wird.
Vor Mut und Durchhaltevermögen der Autorin muss man den Hut ziehen
beim Schreiben dürfte sie erneut Qualen gelitten haben. Aus
der Sicht einer ernsthaften, professionellen Psychotherapie ist zu wünschen,
dass ihr Bericht vielen Betroffenen dabei hilft, Irrwege zu vermeiden
und die Fachorgane neuerlich auf den dringenden Abgrenzungsbedarf gegenüber
unseriösen Angeboten hinzuweisen.
© Monika Gerstendörfer
Hannelore Klafki
Endlich ist im Peter Lehmann Antipsychiatrieverlag ein Buch erschienen,
auf das wir schon lange gewartet haben: der Bericht einer Betroffenen
über ihre Erfahrungen mit dubiosen Praktiken in der systemischen Psychotherapie.
Elisabeth Reuter beschreibt in ihrem Buch mit schonungsloser Offenheit,
wie sie auf der Suche nach therapeutischer Hilfe in die Fänge eines Therapeuten
gerät, der mit den "Familienaufstellungen" nach Bert Hellinger praktiziert.
Sie erzählt dem Therapeuten von ihrem grausamen Vater, der sie in der
Kindheit psychisch und physisch misshandelte. Doch dem Therapeuten ist
dies nicht schlimm genug. Er unterstellt, dass der Vater sie auch sexuell
missbraucht hätte. Er manipuliert sie so, dass sie schließlich selber
daran glaubt. Mit satanischer Fantasie suggeriert er ihr Bilder über perverse
Orgien in einer Kirche, die sie verzweifelt als vermeintlich eigene Erinnerungen
nun mit sich herumträgt. In zweifelhaften und merkwürdig anmutenden "Aufstellungen"
soll sie ihren Vater würdigen und verzeihen, weil sie die Vergewaltigungen
als kleines Mädchen vom Vater verlangt hätte. Er verurteilt sie als eine
machtbesessene kleine Hexe. Nicht der Vater hätte Schuld, sondern sie
selbst und vor allem ihre Mutter, die sie nicht nur nicht beschützt hätte,
sondern die Taten ihres Vaters gebilligt hätte. Sie versucht, zaghaft
zu widersprechen, doch der Therapeut schreit sie zusammen - wie damals
ihr Vater. Als sie verzweifelt fragt, ob denn ihre Person und ihre Gefühle
und Bedürfnisse nicht wichtig wären, erhält sie zur Antwort, dass diese
keine Bedeutung hätten. Was hinter den Gefühlen läge und worauf sie hindeuten
würden, sei von Bedeutung. Der Therapeut verwirrt sie mit seinen Deutungen
und Interventionen, ihre Wahrnehmungen werden von seinen Doppelbotschaften
verzerrt und ihre Biografie wird von ihm verfälscht und manipuliert. Innerhalb
kürzester Zeit wird aus ihr ein psychisches Wrack. Wie in ihrer Kindheit
hört sie auf zu sein. Gott sei Dank merkt sie aber doch, dass das alles
nicht richtig sein kann, was ihr da passiert und sucht nach Hilfe. Doch
andere TherapeutInnen glauben ihr nicht, denn eine Krähe hackt der anderen
kein Auge aus. Sie wird immer verzweifelter und kann bald nur noch an
Selbstmord denken. Schließlich wendet sie sich an Wildwasser (eine Beratungsstelle
für sexuell missbrauchte Mädchen und Frauen) und erfährt hier endlich
Unterstützung und Rat. Mit Hilfe dieser Beratungsstelle kann sie sich
schließlich von dem Therapeuten trennen. Als es ihr besser geht, sucht
sie nach anderen Therapiegeschädigten und erfährt schnell, dass Einschüchterung,
Beleidigung, Ausbeutung, Manipulation und Machtmissbrauch keine Seltenheit
sind. Doch es dauert, bis das erkannt wird, denn viele Betroffene suchen
die Ursachen für die Verschlechterung ihres Zustandes meist nur bei sich
selbst. In Ihrem Fazit vergleicht sie zu Recht Therapien mit Religionen,
die mit ihrem wachsenden Angebot an immer exotischer und esoterischer
werdenden Methoden reine Glaubenssache seien.
In seinem Nachwort erläutert Klaus Weber mit anschaulichen Beispielen
und Zitaten die Grundsätze des so genannten "therapeutischen" Projekts
und das reaktionäre Weltbild von Bert Hellinger. Nach Hellingers Überzeugung
gibt es ein so genanntes Kraftfeld (die "Familienseele"), das in der "Familienaufstellung"
von den "Stellvertretern" Besitz ergreift und sie dazu bringt, psychische
und physische Besonderheiten der Familienmitglieder vorzuführen. Dabei
soll über das Vergangene nicht nachgedacht werden, denn dieses sei ein
"kollektives Bewusstsein" und das Vergessen sei die einzig mögliche Form
der Versöhnung. Es geht schlicht darum anzuerkennen, was war und ist.
Diese Anerkennung wird in Form der "Würdigung" sichtbar und geht so weit,
dass sexuell misshandelte Kinder ihre Eltern für ihr Handeln würdigen
sollen. Auch Juden sollen Hitler würdigen, damit sie in Frieden leben
können.
Beim Lesen wurde ich immer fassungsloser, und ich bin entsetzt, was alles
unter dem Mantel der Therapie ablaufen kann. Wer schützt uns vor solchen
Scharlatanen, die ohne Ausbildung als Psychotherapeuten arbeiten?! Aber
selbst wenn sie eine Ausbildung haben, kann so etwas heute nicht immer
noch vorkommen? Ist dieses so genannte "therapeutische" Konzept Hellingers
nicht längst in die Hochschulen eingezogen? Nach der Lektüre dieses Buches
hoffe ich, nie auf eine Therapie angewiesen zu sein. Elisabeth Reuter
beschreibt flüssig, spannend und emotional, wie sie kontrolliert und manipuliert
wurde, wie ihre Würde und Selbstbestimmung zerstört wurde und wie sie
wieder zurück zu sich selbst fand. Ihre Reflexion und Aufarbeitung dieser
"Therapie" werden dazu beitragen, Betroffene zu ermutigen, sich aus solchen
krank machenden Therapien zu befreien. Ich habe dieses aufrüttelnde Buch
an einem Stück durchgelesen und kann es nur wärmstens empfehlen.
Berlin, 2.2.2005
GehirnverschmutzungRezensentin/Rezensent
aus Bayern bei Amazon
Als "Gehirnwäsche" kann man die Pseudotherapie nach Hellinger
und Adamascek ja nicht bezeichnen, eher als "Gehirnverschmutzung". Das
Buch von Elisabeth Reuter zeigt aus der Perspektive einer Betroffenen,
in welch abgründige "Verstrickungen" Weltbild und Vorgehensweise der sogenannten
"Familien- und Systemaufsteller" führen kann. Es ist insofern eine ausgezeichnete
Ergänzung zu den Hellinger-kritischen Arbeiten "Der Wille zum Schicksal"
(Ueberreuter 2003) und "'Niemand kann seinem Schicksal entgehen...'" (Alibri,
2005 [3., erw. Aufl.]. Es steht zu wünschen, dass das Buch vielen Menschen
als Warnung dient, um Hellinger und seine Anhänger einen großen Bogen
zu machen. 1. Februar 2005
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