|
Homepage
des Antipsychiatrieverlags
in: Sozialpsychiatrische Informationen, 25. Jg. (1995), Nr. 4
Wolfgang Voelzke
Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V.
Regionalvertretung Westfalen
Am Stückenkamp 4B, D-33607 Bielefeld
»Kur« statt »Psychiatrie«
»Therapie statt Chemie«
Zu 1: Was ist Qualität in der Psychiatrie?
Qualität psychiatrischer Versorgung muss sich messen lassen
an:
-
der Menschenwürde,
-
der Wahlmöglichkeit,
-
der Zustimmung zur Behandlung wie bei somatischen Problemen
auch,
-
einem ausreichenden mit öffentlichen Verkehrsmitteln
gut erreichbaren Angebot, das auf individuelle Hilfen in der
Gemeinde ausgerichtet ist,
-
ausreichend ausgestatteten, vernetzt arbeitenden Einrichtungen
und Diensten, ohne dass die Patientinnen/Patienten Gefangene
des Netzes werden, sondern befähigt werden, nach angemessener
Information die Entscheidung über ihre Zukunft selbst
zu treffen (ggf. in einer Helfer-Konferenz mit der Ausarbeitung
eines Hilfeplans),
-
dem Antrag der Krankenhilfe (SGB V) (heilen, verbessern,
lindern) und der Eingliederungshilfe (BSHG) (Integration).
-
An die in der Psychiatrie tätigen therapeutischen Mitarbeiter
sind hinsichtlich der Qualifikation folgende Anforderungen
zu stellen:
-
Freundlichkeit und Echtheit im Umgang mit den Patienten,
wenn auch ggf. mal mit schlechter Stimmung;
-
eine möglichst positive menschliche Ausstrahlung
haben und eine positive innere Haltung zu psychisch erkrankten
Menschen,
-
Verlässlichkeit (bei Absprachen und Zusagen),
-
Mitarbeiter sollten das »Ausflippen« und auch
aggressives Verhalten von Patienten nicht auf sich beziehen,
sondern sollten sich den lebensgeschichtlichen Hintergrund
der Patienten klar machen und vor diesem Hintergrund die
gegenwärtigen Probleme deuten/verstehen,
-
das Handwerkszeug »Krankenpflege« beherrschen,
-
den Patientinnen/Patienten u.a. durch Vermittlung geeigneter
Informationen und Einstellungen den Patienten eine ausreichende
Orientierung auf der Station, aber auch später zur
Bewältigung der Erfahrungen in der Psychiatrie geben
ohne sie zu überfordern.
-
Schwächen und Fehler sollten zugegeben werden, Mitarbeiter
sollten selbstkritisch sein, aber auch ihre Stärken
kennen,
-
sie sollten offen und flexibel auf Veränderungen
im Arbeitsfeld und bei den Menschen, mit denen sie zu
tun haben, reagieren können,
-
sollten sich entsprechend ihrer aktuellen (persönlichen)
Entwicklungen fortbilden,
-
denn als Psychiatrie-Mitarbeiter nimmt man nicht nur
von außen erkennbare Pflegeaufgaben wahr, sondern
man arbeitet mit seiner Persönlichkeit vor allem
im persönlichen Kontakt mit den Patienten.
-
Dazu muss die Bereitschaft zur Entwicklung von Visionen
und gemeinsamen Zielvorstellungen einer guten psychiatrischen
Pflege vorhanden sein.
-
als Arbeitsgrundlage sollte das Vulnerabilitäts-Stress-Coping
Modell von Ciompi dienen, welches die Einbeziehung von
biologischen, psychologischen und sozialen Faktoren bei
der Erklärung Krankheitsentstehung und bei der Durchführung
von Behandlung fordert.
-
Außerdem sollte der Mitarbeiter die Gespräche
mit Patienten mehr lieben als den Rückzug ins »Schwesternzimmer«!
Zu 2: Wie kann die Qualität der Psychiatrischen Versorgung
erfasst werden?
Durch Erfassung von Standards und Aushandeln der qualitativen
Hilfsangebote und Leistungen in der Psychiatrie (siehe in: Der
Eppendorfer, 1/1995, S. 18).
Kennzeichnend für die Beurteilung der Qualität von
psychiatrischer Versorgung sind für mich u.a. folgende Kriterien:
-
Unterbringungsdauer (durchschnittl. Verweildauer in teil-/vollstationären
Einrichtungen),
-
Häufigkeit von Hospitalisierungen (wie oft werden bestimmte
Patienten in einzelnen psychiatrischen Einrichtungen aufgenommen),
-
Anzahl und Dauer von Fixierungen bzw. Isolierungen,
-
wie oft/lange sind die Türen je Station geöffnet,
-
Medikamenteneinsatz und -verbrauch,
-
ausreichende Anzahl von Einzel- und Gruppengesprächen/-therapien,
-
Vollständigkeit des Angebotes (werden alle notwendigen
Hilfen erbracht bzw. wie lang sind die Wartezeiten?)
Zu 3: Wie kann die Qualität gesichert werden?
-
Aus- und Fortbildung von Mitarbeiterinnen/Mitarbeitern (Veränderung
des Bewusstseins bzw. der Haltung) gemeinsam mit Angehörigen,
Bürgerhelfern und Psychiatrie-Erfahrenen),
-
gemeinsame Tagungen und Kooperationsgespräche (Trialog,
Quadrolog),
-
in jeder Klinik sollte eine Beschwerdestelle (besetzt mit
Psychiatrie-Erfahrenen, Angehörigen und Professionellen)
eingerichtet werden, die die Aufgabe hat, Mängel und
Beschwerden in der jeweiligen psychiatrischen Einrichtung
festzustellen und auf die Beseitigung von Mängeln hinzuwirken,
-
vernetztes Arbeiten im Team,
-
klare Zielvorgaben und Visionen einer menschlicheren Psychiatrie,
damit sich jede/jeder an diesen Zielen ausrichten kann.
Zu 4: Was fehlt zur Durchführung einer qualitativ guten
Psychiatrie?
-
Ein Gesamtkonzept muss her, das flexibel je nach veränderten
Anforderungen fortgeschrieben werden muss;
-
Es fehlt ein klares Bewusstsein und ein Grundkonzept für
den als Qualität ausgehandelten Standard einer psychiatrischen
Versorgung;
-
Es fehlt ein Hilfeplan, der in einer Helfer/Helferinnen-Konferenz
unter maßgeblicher Beteiligung der Patientinnen/Patienten
erarbeitet wird;
-
Es fehlt z.T. entsprechend qualifiziertes Personal (viel
mehr Psychotherapie/Einzelgespräche!);
-
Informationen und Befähigung der Patienten, sich selbst
zu helfen (z.B. durch psychoedukative Gruppenarbeit).
-
Weitere Forderungen an eine humanere Psychiatrie sind folgende:
-
Veränderungen im Grundverständnis (vom entmündigten
psychisch Kranken zum Psychiatrie-Erfahrenen als selbstverantwortlichen
Experten für die eigene psychische und soziale Situation
bzw. Entwicklung;
-
Veränderungen im öffentlichen Bewusstsein schaffen:
weg vom »unberechenbaren Psychotiker«, hin zum
Menschen! Das negative Bild des psychisch erkrankten Menschen
in der Öffentlichkeit muss sich radikal ändern.
Man muss über seine psychische Erkrankung genauso
reden können, wie über einen Beinbruch oder
ein Magengeschwür, auch wenn die Erfahrungen in der
Psychose z.T. schwer nachzuvollziehen sind und bei anderen
Menschen Angst erzeugen können;
-
verändertes Menschenbild mit den Folgen: Gewährung
von Freiheit, Wahlmöglichkeiten innerhalb der zur
bisherigen Psychiatrie, Alternativen (Weglaufhaus, Selbsthilfe
etc.);
-
allgemeine und individuelle Hilfen zur Förderung
des Selbstbewusstseins von Menschen mit psychischen Problemen:
ernst nehmen, Kompetenz zutrauen, ermutigen, Empfindsamkeit
als etwas Positives definieren, helfen, den eigenen Lebensweg
zu finden und zu gehen;
-
Eingehen auf das Bedürfnis vieler Psychiatrie-Erfahrener,
welche die von Medizinern festgelegten Kategorien wie
»psychisch krank« sowie die künstliche
Einstufung nach Krankheitsbezeichnungen und Diagnose-Schemata
(ICD und DSM) für ihre Lebensäußerungen
und -erfahrungen ablehnen;
-
vielfältige rechtliche Verbesserungen: mehr Entscheidungsspielraum
bzgl. eigener Belange (wie Ziel und Mittel von Hilfen/Behandlungsformen);
Verhandeln statt Behandeln, Absprachen zwischen Klinik
und Patient für den Behandlungsfall; Psychiatrisches
Testament; Aufbau von Beschwerdestellen; Einführung
von Ombudsleuten/Patientenfürsprechern; Änderungen
des PsychKGs (rechtl. Unterstützung der Patienten
während des gesamten Verfahrens durch einen Rechtsanwalt
eigener Wahl auf Staatskosten, Stärkung der Ansprüche
auf Hilfen vor, während und nach der Behandlung in
einer Klinik); Änderung des Haftungsrechts (Umkehr
der Beweislast bei nicht ordnungsgemäßer Behandlung/Kunstfehlern,
falscher Anwendung von Medikamenten etc. nicht
nur bei fehlerhafter Aufklärung); Änderung des
Betreuungsrechtes (BtG) und des Unterbringungsrechtes
(u.a. Überprüfung von Beschwerden durch Instanzen,
die auch mit Psychiatrie-Erfahrenen besetzt sind); engere
Begrenzung und Kontrolle von freiheitsentziehenden Eingriffen
(u.a. Fixierung);
-
Wichtig ist auch eine verstärkte Schaffung von Alternativen
zur Klinik: ausreichende individuelle ambulante Hilfen
mit Rechtsanspruch auf psychosoziale, pflegerische, finanzielle
Hilfen; Verbesserung der psychiatrischen Hauskrankenpflege
(Einsatz von Zivildienstleistenden); Weglaufhaus; mehr
Bügerhelfer und Selbsthilfeinitiativen; intensive
ambulante Begleitung, Beratung und ggf. Betreuung (auch
ohne Medikamente); größere Mitspracherechte
und -möglichkeiten im Rahmen des Aus- und Umbaus
der gemeindepsychiatrischen Versorgung (hier gilt es,
eine »Totalerfassung und -überwachung von Psychiatrie-Erfahrenen
durch »engmaschige Versorgung« zu verhindern).
Weiterhin auch im Vorfeld eines bzw. nach einem Klinikaufenthalt/es:
Rückfallvorbeugung; psychoedukative Gruppenarbeit
auf Krankenschein; Schaffung von Lebens-, Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten
mit weniger Druck, Stress, Kälte und Konflikten wie
sonst in der Gesellschaft üblich; Hilfen zur Stressbewältigung
(infolge äußeren Drucks, finanzieller Schwierigkeiten,
schwieriger Situation/Belastung durch die soziale Umgebung,
psychischer Wirkungen auch körperlicher Erkrankungen,
eigener innerer Konflikte etc.) mit Auswirkungen auf das
Selbstwertgefühl und die Bewältigungskompetenz;
-
Verbesserung der organisatorischen und räumlichen
Bedingungen in der Klinik: übersichtliche, helle
und freundliche Räume, Einzelzimmer (maximal 2-Bett-Zimmer);
Poster und Bilder auf den Zimmern, verstärkte Verwendung
von Naturholz bei der Einrichtung/Ausstattung, Verhinderung
einer trostlosen Atmosphäre, kleine übersichtliche
Wohn- und Stationsgruppen, damit sich die Patienten gegenseitig
kennenlernen und austauschen können; Verkleinerung
der Stationen auf maximal 16 Patienten (je acht Patienten
in zwei Teilbereichen, siehe hierzu auch die PsychPV);
Auswahl einer Bezugsperson aus dem Klinikteam; offene
(Aufnahme-)Stationen (Dr. Krisor fordert zusätzlich:
Durchmischung und ein besonderes Konzept, Prof. Ciompi
initiierte die »Soteria«, das »weiche Zimmer«
mit der Möglichkeit bei der Aufnahme auf Medikamente
zu verzichten); Informieren und Begleiten bei der Aufnahme
auf eine Station, Hilfen zur Orientierung;
-
Inhaltliche Aspekte der Arbeit in der psychiatrischen
Klinik: Wertschätzung der Patienten durch die Profis
(innere Haltung!), was auch sehr beeinträchtigte
Patienten spüren; das Psychoseerleben darf in der
Klinik nicht tabuisiert (totgeschwiegen) werden; Information
und Aufklärung über Rechte, Möglichkeiten
und Grenzen der Behandlung in der Klinik; keine Elektroschocks/Elektrokrampftherapie;
Aufklärung über Medikamente, Wirkungen und Nebenwirkungen
sowie die Befähigung der/des Betroffenen, selbst
zu entscheiden; Schaffung von Bedingungen, unter denen
auf Medikamente je nach den Erfahrungen der Patienten/Patientinnen
verzichtet werden kann; Beginn mit der Gruppenarbeit zur
Rückfallvorbeugung, Erläuterung der Frühwarnzeichen
und der Möglichkeiten, selbst zu handeln und bewusst
mit der Erkrankung/Krise umzugehen; Schaffung von Möglichkeiten
für die Patienten/Patientinnen, selbst mitzudenken
und zu entscheiden; Stärkung der Eigenkompetenz:
Experte für eigene Erkrankung/Krise/psychische Entwicklung;
Bewusstmachung der Zusammenhänge (Vulnerabilität-Stress-Coping
Modell), wie sie die Profis z.Z. sehen sowohl gegenüber
Patienten als auch gegenüber Angehörigen; Psychotherapie;
aber auch Schaffung bzw. Unterstützung von Alternativen,
wenn jemand mit der Psychiatrie gar nichts mehr zu tun
haben will; vielfältige Betätigungsmöglichkeiten/Aktivitäten
(von echter bezahlter Arbeit bis kreativer Beschäftigungstherapie
(künstlerisch, musisch etc.), Dr. Krisor: Atelier),
Sauna, Disco, Sport, Krafttraining, Computer, Filme, Vorträge;
Möglichkeiten schaffen zum Kontakt bzw. um menschliche
Nähe herzustellen; Bürgerinnen/Bürger in
die Klinik holen: Öffentlichkeitsarbeit, Feste, Vorträge,
Ausstellungen, Gottesdienste, Diskussionsrunden (Teilnehmer:
Bürger, Psychiatrie-Erfahrene, Profis, Angehörige);
-
Adäquate Hilfen nach der Klinikentlassung: Grundsätzlich
zu fordern ist ein koordiniertes Zusammenwirken der Hilfesysteme,
Institutionen, Diensten und Kostenträger. Zu entwickeln
sind integrierte, abgestimmte individuelle Hilfen, ggf.
nach einem Hilfeplan (der in einer Helfer-Konferenz mit
den Betroffenen vereinbart wird). Hierbei sollte keine
Steuerung nach dem Willen der Mediziner stattfinden, sondern
entsprechend den Bedürfnissen der Betroffenen. Wichtig
sind auch Wahlmöglichkeiten. Voraussetzungen für
eine Verbesserung der Hilfen nach Klinikentlassung sind
personell ausreichend ausgestattete Sozialpsychiatrische
Dienste sowie die Einrichtung bzw. personelle Ausstattung
von Beratungsstellen für Menschen mit psychischen
Problemen. Ebenfalls nötig sind verschiedene ambulante
Hilfsangebote (psychiatrische Ambulanzen, Hausärzte,
ambulante Psychiater, Tageskliniken, auch psychosomatisch
ausgerichtete Tageskliniken, Entspannungskurse, Gruppenangebote).
Dort sollten Informationen gegeben und die Befähigung
gestärkt werden, selbst über die Einnahme von
Medikamenten zu entscheiden. Weiterhin wichtig sind hier
Rückfallvorbeugung und psychoedukative Gruppenarbeit
sowie Psychose-Gruppen (Verarbeiten der Erfahrungen während
einer Krise bzw. innerhalb der Psychiatrie), psychotherapeutische
Angebote, psychosoziale Beratung und Begleitung (mit dem
Ziel der Stärkung von Eigenkompetenz), wenn gewünscht
auch langfristige therapeutische Begleitung. Insgesamt
sollte gelten: »Kur« statt »Psychiatrie«
sowie »Therapie statt Chemie«. Es sollten Freiräume
und »Nischen« geschaffen werden für Menschen,
die mit der Psychiatrie nichts mehr zu tun haben wollen;
-
Arbeitsmöglichkeiten verbessern: Es ist notwendig,
auf dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt Stellen zu schaffen,
in Zuverdienstfirmen, aber auch im Rahmen alternativer
Arbeitsformen. Die Stellen sollten allerdings individuelle
Leistungsmöglichkeiten, den finanziellen Bedarf und
Wünsche nach Kreativität und Selbstverwirklichung
(Patientenzeitung, künstlerische Aktivitäten
etc.) berücksichtigen und keine einseitigen, abstumpfenden
oder körperlich beeinträchtigenden Tätigkeiten
beinhalten. Die Arbeit sollte abwechslungsreich gestaltet
sein. Die in den Werkstätten für Behinderte
geleistete Arbeit sollte wesentlich besser entlohnt werden,
so dass man davon leben kann und nicht noch ergänzende
Sozialhilfe benötigt;
-
Wohnformen: Geschaffen werden sollten Wohnmöglichkeiten,
welche die Freiheit und das Recht auf Wahl des eigenen
Lebensentwurfes berücksichtigen. Sie sollten ausgerichtet
sein am individuellen Bedarf, an Möglichkeiten und
Grenzen des einzelnen. Der Personalschlüssel für
Betreutes Wohnen sollte zwischen 1:12 und 1:1 liegen.
Zumindest ein Zimmer sollte zur Verfügung stehen,
ebenso eine ausreichende Ausstattung mit Mobiliar. Weiterhin
sollte eine positive freundliche Atmosphäre sichergestellt
werden; Möglichkeiten zur Integration in eine Hausgemeinschaft
sollten bestehen, aber auch zum Rückzug;
-
Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben muss sichergestellt
werden: Hierzu gehört nicht nur die Möglichkeit,
befriedigende Lebensentwürfe zu verwirklichen, sondern
auch eine ausreichende finanzielle Ausstattung, Selbstverwirklichung
im Rahmen von künstlerischen oder kulturellen Aktivitäten,
in Vereinen, durch Hobbys. Weiterhin Kontaktmöglichkeiten
(Kennenlernen anderer Menschen bei Veranstaltungen, z.B.:
bei Theater-, Disco- und Kinobesuchen oder auch bei Urlaubsfahrten.
Wichtig ist auch die Schaffung von Möglichkeiten,
Wärme, Zärtlichkeit und Geborgenheit erfahren
zu können. Erstrebenswert ist auch die intensive
Beteiligung von Betroffenen an der Mitgestaltung der Psychiatrie
und der Gesellschaft insgesamt. Auch gut wären mehr
Informations- und Kontaktstellen, mehr Selbsthilfegruppen
und -initiativen;
-
Es muss das Wohl des einzelnen psychisch erkrankten Menschen
im Mittelpunkt stehen und nicht die schwierige Finanzlage.
Es gilt, nutzerfreundliche stationäre, ambulante
und komplementäre Angebote in der Gemeinde zu schaffen;
-
Im stationären psychiatrischen Bereich sollten geschlossene
Stationen, welche häufig einem »Hexenkessel«
gleichen, mit einer neuen Konzeption geöffnet werden
und die Menschen mit schwierigen Erkrankungen auf alle
Stationen verteilt werden, wie dies z.B. seit 1977 im
St. Marien-Hospital in Herne im Rahmen der Pflichtversorgung
erfolgreich praktiziert wird. Diese Konzeption (vgl. M.
Krisor: »Auf dem Wege zu einer gewaltlosen Psychiatrie
Das Herner Modell im Gespräch« 1993)
ist richtungweisend für alle psychiatrischen Kliniken,
die sich bemühen, ihre geschlossenen Bereiche zu
öffnen. Auf jeder Station sollten verständlich
geschriebene Informationsblätter ausliegen, welche
aufklären über den Ablauf der Station, Patientenrechte
und Beschwerdemöglichkeiten, über Medikamentenwirkungen,
-nebenwirkungen und -risiken, über mögliche
Hilfen/Angebote innerhalb und außerhalb der Klinik
sowie über ggf. bestehende Selbsthilfegruppen.
Zu 5: Was ist überflüssig in der jetzigen Psychiatrie?
-
Überflüssig ist die starre Organisation, die die
Macht bei der »Weißen-Kittel-Fraktion« belässt,
sowie
-
die Tabuisierung, über Psychose-Inhalte zu sprechen.
-
Ebenso ist der Streit einzelner Sozialleistungsträger
und -anbieter untereinander sowie die Zersplitterung der Sozialleistungen
in unterschiedliche »Töpfe« überflüssig.
- Geschlossene Zimmer auf einer geschlossenen Station sind
»gefängnisähnliche Maßnahmen«, sie
erzeugen sehr viel Angst und sind deshalb eigentlich kontraindiziert.
Fixierungen, hoch dosierte, müde machende Medikamentengaben
und Isolierzimmer (also chemische und räumliche Gewaltmittel)
können das Gespräch mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
aus der Psychiatrie nicht ersetzen.
|
|