|
Homepage des
Antipsychiatrieverlags
in: Rundbrief des Bundesverbands Psychiatrie-Erfahrener e.V. (BRD), 2008,
Nr. 2, S. 13 / PDF;
und in: Soziale Psychiatrie (Köln), 32. Jg. (2008), Nr. 2, S. 21 / PDF
Trialog und Selbstorganisation
Münchener
Thesen und Forderungen für eine soziale Psychiatrie in Europa
Im Forum »Trialog und Selbstorganisation von Betroffenen
und Angehörigen« der DGSP-Jahrestagung [vom 1.-3. November 2007] in München
entwickelten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Thesen und Forderungen,
die im Anschluss an die Tagung von den Vorständen der unterzeichneten
Verbände diskutiert und abgestimmt wurden.
-
Eine soziale Psychiatrie in Europa wird nur dann möglich, wenn das
Recht von Psychiatriebetroffenen auf körperliche Unversehrtheit respektiert
wird, die Interessen ihrer Angehörigen respektiert werden und wenn
die Kerngruppen der im psychiatrischen Kontext Handelnden Psychiatrie-Erfahrene
bzw. -Betroffene, Angehörige und Professionelle als gleichberechtigte
Partnerinnen und Partner auf gesetzlicher Grundlage
miteinander verhandeln können.
-
Dieser in Gesetzen, Satzungen und Geschäftsordnungen verpflichtend
festzulegende Trialog trägt in Einrichtungen und Diensten der Psychiatrie
als Basis sozialpsychiatrischen Qualitätsmanagements
dazu bei, Psychiatrie-Betroffene vor Zwangsbehandlung zu schützen
und die einseitige Definitionsmacht der psychiatrisch Tätigen in eine
demokratische Handlungskultur zu überführen, die es allen Beteiligten
ermöglicht, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und einen offenen
und gleichberechtigten trialogischen Diskurs zu führen.
-
Der Trialog der genannten Kerngruppen bezieht sich im generell
anzustrebenden Austausch mit allen anderen Beteiligten (Multilog)
-
auf die zukünftige Psychiatrieplanung, Psychiatriepolitik und
strukturelle Weiterentwicklung der Gemeindepsychiatrie in Europa,
-
die Beteiligung an Aufsichtsräten und Geschäftsführungen psychiatrischer
Träger, Einrichtungen und Dienste (mindestens durch trialogische
Beiräte),
-
die Mitarbeit von Psychiatrie-Erfahrenen und Angehörigen in psychiatrischen
Teams
-
die Aus-, Fort- und Weiterbildung psychiatrisch Tätiger in allen
Arbeitsfeldern der Psychiatrie durch bzw. unter Beteiligung Psychiatrie-Erfahrener
und Angehöriger.
-
Vertreterinnen und Vertreter von unabhängigen Selbsthilfeorganisationen
der Psychiatrie-Erfahrenen und der Angehörigen sind daher generell,
auf gesetzlicher Grundlage, in allen psychiatriepolitischen Gremien
auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene in allen europäischen Staaten
demokratisch zu beteiligen!
-
Die Verwirklichung einer demokratischen Psychiatrie, die die Existenz
von nichtpsychiatrischen Hilfen und Wahlmöglichkeiten voraussetzt
und auf dem Trialog fußt, setzt die angemessene ideelle Unterstützung
und materielle Förderung der unabhängigen Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener
bzw. -Betroffener und der Selbsthilfe der Angehörigen voraus.
-
Es sollten Beschwerdestellen eingerichtet werden, die mit der Autorität
und den strukturell abgesicherten Möglichkeiten ausgestattet sind,
Institutionen und Entscheidungsträger zu beeinflussen und gegebenenfalls
zu sanktionieren.
Diese Beschwerdestellen sollten
-
national, regional und lokal organisiert sein,
-
gesetzlich abgesichert und leicht erreichbar sein,
-
auf Wunsch die Anonymität wahren,
-
unabhängig von medizinischen und psychiatrischen Institutionen
arbeiten,
-
Vertraulichkeit gewährleisten,
-
bei Bedarf professionellen rechtlichen Rat einholen können.
Ehrenamtliche Tätigkeiten durch Psychiatrie-Erfahrene und Angehörige
und die bei dieser Tätigkeit entstehenden Sachkosten werden entsprechend
dem Aufwand entlohnt. Das Geld für diese Entlohnung stammt anteilig
aus einem Budget aller örtlichen psychiatrischen Einrichtungen oder
aus dem Psychiatriebudget des Bundes, der Länder und Kommunen der
europäischen Staaten.
-
Die Vorstände des Europäischen Netzwerkes von Psychiatrie-Betroffenen
(ENUSP), des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker (BApK)
/ Familien-Selbsthilfe Psychiatrie und der Deutschen Gesellschaft
für Soziale Psychiatrie (DGSP) fordern die psychiatriepolitisch Verantwortlichen
in Europa auf, sich für folgende grundlegende Bedingungen einer humanen
und sozialen Psychiatrie einzusetzen:
-
den Schutz der Menschenrechte und Menschenwürde und die Respektierung
der individuellen Autonomie Psychiatriebetroffener einschließlich
ihres Rechts auf eigene Entscheidungen und Unabhängigkeit, wie
auch von der »UN-Konvention der Rechte von Menschen mit Behinderung«
gefordert;
-
von Sponsoring durch Pharmafirmen unabhängige Psychiatrie-Betroffene
und Angehörige im Sinne der Recovery-Bewegung eindeutig
als Experten anzuerkennen;
-
die generelle und aktive Beteiligung und Einbeziehung der Selbsthilfeorganisationen
der Psychiatrie-Erfahrenen/-Betroffenen und der Selbsthilfeorganisationen
der Angehörigen in die Psychiatriepolitik zu fordern;
-
den Trialog zu verifizieren, in dem sich Professionelle auch
als Person und nicht nur in ihrer Profi-Rolle einbringen;
-
Alternativen zur Psychiatrie zu unterstützen und zu fördern.
Der Vorstand des Bundesverbandes der Angehörigen psychisch Kranker
e.V. (BApK) / Familien-Selbsthilfe Psychiatrie
Der Vorstand des Europäischen Netzwerks von Psychiatriebetroffenen
(ENUSP)
Der Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie
e.V. (DGSP)
|