Rundbrief

Ausgabe 4/2005

Themenschwerpunkt Jahrestagung Kassel

Berichte der AGs

AG5: "ABSETZEN VON PSYCHOPHARMAKA -
ENDE DER KRISE ODER KRISE OHNE ENDE?"

 Moderation: Peter Lehmann

Thema der AG sollte der Entschluss zum Absetzen psychiatrischer Psychopharmaka – Motivation, Zeitpunkt, Umfeld etc. – sein, positive und negative Erfahrungen sollten zusammengetragen und die Möglichkeiten eines relativ gefahrlosen Absetzens ausgelotet werden. Bei ca. 60 TeilnehmerInnen von einer Arbeitsgruppe zu sprechen, wäre kühn, eher war es eine Podiumsdiskussion. Die große Zahl der TeilnehmerInnen hatte mit dem für viele existentiellen Thema zu tun, zum anderen hatte sich der Hauptreferent Marc Rufer, der wie ich und mit mir schon seit 20 Jahren am selben Thema arbeitet, der Gruppe als Co-Moderator angeschlossen. Die Interessen waren vielfältig, die Diskussion lebhaft.

Zuerst ging Marc Rufer auf Fragen ein, die nach seinem Vortrag noch offen waren, dann widmeten wir uns dem umfangreichen Thema "Absetzen" von allen Seiten und in all seinen Nuancen, Ausprägungen und Verästelungen. Von der Frage der genetischen Verursachung psychischer Probleme über den Sinn der Diagnostik, insbesondere der umstrittenen "Schizophrenie", über das so genannte Kompetenznetz Schizophrenie (inkl. der geplanten vorbeugenden Neuroleptika-Verabreichung an später möglicherweise als psychisch krank diagnostizierter Kinder) stießen wir auf unmittelbar absetzbezogene Themen wie Schlafstörungen, die sowohl Entzugsprobleme wie auch erste ernstzunehmende Anzeichen wiederkehrender psychischer Notlagen sein können.

Wir sprachen über Vorausverfügungen aller Art, mit der sich Psychiatriebetroffene rechtlich gegen unerwünschte Behandlungen und Betreuer abzusichern versuchen können für den Fall befürchteter unerwünschter psychiatrischer Maßnahmen bei Wiederauftreten psychischer Probleme. Lithium sowie Rezeptorenveränderungen bei herkömmlichen und so genannten atypischen Neuroleptika waren ebenso Thema wie die Frage, wie Abhängigkeit eigentlich definiert ist.

Dass die ursprünglichen Probleme, die zur Psychopharmaka-Einnahme geführt hatten, mit dem Absetzen der Substanzen nicht verschwunden sind, war unstrittiger Konsens wie auch die Einsicht, dass insbesondere nach längerer Zeit der Einnahme das Absetzen langsam und stufenweise stattfinden sollte, begleitet von Reflexion evtl. in einer Selbsthilfegruppe (ohne Besserwisserei) oder in Therapie.

Angesprochen wurde, dass Ärzte oft uninformiert sind und es von daher notwendig ist, sich selbst über mögliche Entzugsprobleme zu informieren, z.B. im Internet unter frei zugänglichen Medikamentenverzeichnissen, siehe www.peter-lehmann-publishing.com/info/sources.htm, über vorhandene Fachliteratur.

Kostenfreies Infomaterial kann angefordert werden:


a) zu Themen Ver-rücktheit selber steuern und Psychopharmaka (absetzen) bzw. Literaturlisten beim BPE, Wittener Str. 87, 44789 Bochum, Tel. 0234 - 68705552, Email: kontakt-info@bpe-online.de oder über die BPE-Psychopharmakaberatung, Tel. 0234-6405102

b) Literaturempfehlungen "Absetzen von Psychopharmaka" bei Peter Lehmann, Berlin, siehe www.peter-lehmann.de/ex.htm

Nach der Pause war die Zahl der TeilnehmerInnen nahezu unverändert. Der vorgegebene Zeitrahmen wurde bis zur allerletzten Minute ausgeschöpft, und hätte ich Marc Rufer nicht rasch zum Bahnhof fahren müssen, würden wir vermutlich heute noch mit rauchenden Köpfen in Kassel diskutieren.