| Online-Publikation vom 4. Januar 2000 Homepage 
              des Antipsychiatrieverlags
 
 Peter 
              Lehmann Die besonderen Gefahren der Verabreichung 
              psychiatrischer Psychopharmaka an alte MenschenDer Respekt vor den Ärzten ist ungebrochen. Er führt 
              letztendlich dazu, dass sich alte Menschen und ihre Angehörigen 
              bedingungslos in deren Hände begeben, wenn es zu Problemen 
              und Störungen im Alter kommt.  Der Zweig der Geriatrie, der Lehre von den Erkrankungen im Alter, 
              ist noch jung. Nur wenige Ärzte haben darüber Kenntnisse. 
              Manchmal sind die examinierten AltenpflegerInnen durch ihre spezielle 
              Ausbildung im Bereich der Gerontologie erfahrener, scheitern jedoch 
              daran, ihr Wissen umzusetzen, da sie zu Erfüllungsgehilfen 
              der Ärzte degradiert werden und die Hürde der Hierarchie 
              nicht zu übersteigen wagen. Das Resultat wird im Feature »Dem 
              eigenen Ableben emotionslos zusehen  Psychopharmaka in Altenheimen« 
              von Bernd Kempker (Hörkassette, Berlin: Antipsychiatrieverlag 
              2000) deutlich: fachlicher Rückzug oder ausbleibendes Interesse 
              an Weiterbildungen. Der in der Geriatrie mangelhaft ausgebildete Arzt findet nur oberflächlichen 
              Zugang zu dem hilfesuchenden Menschen. Dazu kommt ein marktwirktschaftlich 
              orientiertes Abrechnungssystem der Krankenkassen; diese bezahlen 
              zwar alle möglichen und unmöglichen Verordnungen, nicht 
              aber notwendige intensive Gespräche, die die Ursachen von Problemen 
              aufspüren und einfache, evtl. naturheilkundliche Lösungsmöglichkeiten 
              aufzeigen könnten. Überforderte Allgemeinärzte schicken die wiederum überforderten 
              alten Menschen von einem Facharzt zum anderen, mit dem Ergebnis, 
              dass sie meist ohne wirkliche Hilfe wieder beim überweisenden 
              Arzt ankommen. Dieser greift dann aus Hilflosigkeit, Unwissenheit 
              oder Zeitmangel zu ruhigstellenden, jedoch mit vielen Gesundheitsrisiken 
              behafteten Psychopharmaka. Der Leidensweg beginnt. Frauen sind vom 
              Verschreibungsrisiko besonders betroffen. In manchen Altenheimen 
              erhalten mehr als 60% aller BewohnerInnen Psychopharmaka (Tendenz 
              steigend)  häufig in Form von besonders schädlichen 
              Mehrfachverordnungen von mitunter zehn und mehr unterschiedlichen 
              Psychopharmaka und Medikamenten  mit der Folge, dass sie ihre 
              letzten Lebensjahre verdämmern. Hilfreich wäre statt dessen 
              ein ganzheitlicher Ansatz: mit vertrauensvoll geführten Gesprächen 
              über persönliche Lebensumstände und durchlebte Krankheiten 
              bei gleichzeitiger sozialer Unterstützung.  Psychopharmaka aller Art, insbesondere Antidepressiva und Neuroleptika 
              (wie z.B. das bekannte Haldol), sind in der Arztpraxis und im Altersheim 
              die häufigste Antwort auf psychische Probleme, wie einige Studien 
              zutage brachten. Dabei sind alte Menschen in einer Vielzahl von 
              Gesundheitsstudien längst als besondere Risikogruppe unter 
              Psychopharmakabehandelten identifiziert: Zusatz- und Folgerisiken 
              betreffen alte Menschen besonders wegen ihrer nachlassenden Widerstandskraft 
              gegen die psychopharmakologischen Wirkungen. Sie verbrühen 
              sich in psychiatrischen Einrichtungen unter der Wirkung von Psychopharmaka 
              häufiger als in psychopharmakafreiem Zustand, prallen unter 
              Psychopharmaka häufiger gegen Möbel, kippen unter Psychopharmaka 
              häufiger um, fallen im Krankenhaus unter Psychopharmaka häufiger 
              aus dem Bett, stürzen unter Psychopharmaka häufiger beim 
              Gang zur Toilette, erleiden somit unter Psychopharmaka häufiger 
              Schürfwunden, Blutungen und Brüche und ziehen sich in 
              Altenheimen unter Psychopharmaka häufiger Oberschenkelhalsbrüche 
              zu. Speziell alte Menschen sterben eher an Arzneimittelreaktionen. Die American Psychological Association legte 1989 eine Studie 
              vor, in welcher ihr Direktor Bryant Welch ausführte, alte Menschen 
              würden zu oft »sinnlos und unmenschlich allein gelassen 
              und psychologisch einem medikamentenbedingten Stupor ausgesetzt«; 
              Psychopharmaka würden missbräuchlich verschrieben, um 
              das Verhalten alter Menschen zu kontrollieren. Studien in mehreren Ländern zeigten bei alten Menschen außerordentlich 
              hohe Sterblichkeitsraten innerhalb kurzer Zeit psychopharmakologischer 
              Behandlung. Ein Bericht des US-Department of Health and Human Services 
              von 1989 führte die Todesursache von US-Amerikanerinnen und 
              US-Amerikanern über 60 Jahre in 51% und die Hospitalisierungsgründe 
              in 39% auf Arzneimittelreaktionen zurück. Gefährliche 
              Arzneimittelreaktionen kommen besonders häufig in Langzeitpflegeeinrichtungen 
              für alte Menschen vor. Dämmern sie unter Psychopharmakawirkung 
              dahin, dann trinken sie zu wenig und sind dadurch einem erhöhten 
              Risiko von Altersverwirrtheit ausgesetzt, denn mangelnde Flüssigkeitszufuhr 
              ist bis zu 50% für den Abbau der geistigen und körperlichen 
              Fähigkeiten verantwortlich. Geriatrie und PsychopharmakaBesonders schädlich wirkt das Ärztelatein, so Trude Unruh 
              von den Grauen Panthern, im Umgang mit alten Menschen: zwischen 
              Arzt und Patient, ob in der Praxis (ambulante Behandlung) oder im 
              Heim, in der Klinik bzw. der Anstalt (stationäre Behandlung). 
              Der Respekt vor den Kapazitäten führt letztendlich 
              dazu, dass sich alte Menschen bei einer solchen Gesprächsführung 
              in inhaltslose Wortformeln flüchten oder ganz verstummen. Der 
              in der Geriatrie, d.h. dem Zweig der Medizin, der sich mit den Krankheiten 
              des alternden und alten Menschen beschäftigt, mangelhaft ausgebildete 
              Arzt findet keinen Zugang zu dem hilfesuchenden Menschen und gewinnt 
              demzufolge auch nicht sein Vertrauen. Dazu kommt ein Abrechnungssystem 
              der Krankenkassen, die zwar alle möglichen und unmöglichen 
              Verordnungen bezahlen, die notwendigen intensiven Gespräche 
              aber nicht. Der Trend zu immer mehr Fachärzten (60% Fachärzte 
              gegenüber 40% Allgemeinärzte) deutet den Leidensweg alter 
              Menschen an; sie werden zu einer Irrfahrt von Facharzt zu Facharzt 
              genötigt. Hilfreich wäre ein ganzheitlicher Ansatz: mit 
              vertrauensvoll geführten Gesprächen über persönliche 
              Lebensumstände und durchlebte Krankheiten und gleichzeitiger 
              sozialer Unterstützung. Die schnelle Verordnung von Psychopharmaka 
              ist es nicht. Die Geriatrie steckt, auch in Deutschland, noch in den Kinderschuhen 
               ein Verhängnis für alte Menschen. Psychopharmaka 
              aller Art, insbesondere Antidepressiva und Neuroleptika, sind in 
              der Arztpraxis und im Altersheim die häufigste Antwort auf 
              psychische Probleme. Folge ist oft die Einweisung in eine Psychiatrische 
              Anstalt. Ein Bett, ein Nachtschränkchen, ein Handtuch, die 
              Abhängigkeit vom Sozialamt und viele Pillen ist alles, was 
              einem so behandelten alten Menschen bis zum Tode bleibt. Wie schädlich 
              die normale psychiatrische medikamentöse Behandlung 
              ist, haben in letzter Zeit einige Studien zutage gebracht. So haben 
              Mediziner z.B. nachgewiesen, dass in psychiatrischen Einrichtungen 
              Neuroleptika-behandelte alte Menschen unter der Wirkung dieser Mittel 
              überdurchschnittlich oft hinfallen, Oberschenkelhalsbrüche 
              usw. erleiden und deshalb vergleichsweise früher sterben als 
              alte Menschen, die keine psychiatrischen Medikamente 
              einnehmen müssen. Drei Jahre zuvor hatten schottische Forscher 
              eine Untersuchung über die Ursachen der Schüttellähmung 
              veröffentlicht, die bei 95 älteren Menschen zur Überweisung 
              in eine Geriatriestation geführt hatte. Dabei stellte sich 
              heraus, dass es die psychiatrischen Medikamente waren, 
              die bei mehr als der Hälfte der teilweise nicht einmal mehr 
              gehfähigen Kranken die Schüttellähmung verursacht 
              hatten; in keinem einzigen dieser Fälle war die Verabreichung 
              der Psychopharmaka berechtigt gewesen. Es gibt keinen Grund anzunehmen, in Deutschland oder in anderen 
              Ländern sei für die Sicherheit der alten Menschen gesorgt. 
              Henning Hülsmeier, offenbar ein Psychiater, beschreibt in einer 
              Untersuchung von 222 Zwangsuntergebrachten einer Psychiatrischen 
              Anstalt in Rheinland-Pfalz (1980) die lebensgefährlichen Folgen 
              der oft formalgesetzlich fragwürdigen vorläufigen psychiatrischen 
              Unterbringung, unter der alleinstehende, ältere Frauen aus 
              sozial benachteiligten Schichten besonders zu leiden haben. Der 
              jeweilige Richter würde zu einem »Erfüllungsgehilfen« 
              der Betreiber der Unterbringung (Familie, Gemeinde, Psychiater), 
              statt deren Berechtigung objektiv zu überprüfen: »... 
              er wird zu einer Art Jasager, wenn ein Minimum an Begründungen 
              formell und inhaltlich zusammengekommen ist.« Einmal vorläufig 
              in der Anstalt, zögern Gerichte und Psychiater eine Anhörung, 
              bei der sich die Untergebrachten verteidigen könnten, oft über 
              mehrere Wochen hinaus. Dann sind letztere mit Psychopharmaka vollgepumpt 
              und apathisch, so dass sie sich nicht mehr wehren können, oder 
              es kommt überhaupt nicht mehr zum Gerichtstermin: 
              Von den 57 untersuchten über 62jährigen, die den Gerichtstermin 
            nicht mehr erlebten, waren 15 innerhalb von zwei Wochen tot, 19 innerhalb 
            eines Monats und 28 innerhalb zweier Monate. Hülsmeier:»Der Grund lag einmal im Tod des Untergebrachten. Die Häufung 
                der Todesfälle in den ersten zwei bis drei Wochen ist erschreckend: 
                40%. (...) 95,5% aller Todesfälle lagen bei Personen jenseits 
                des 50. Lebensjahres.« 
              Auch in anderen Einrichtungen, die von Psychiatern betreut 
            werden oder in denen Pflegepersonal Psychopharmaka verabreicht, wie 
            z.B. in den meisten Altenheimen, können sich die Betroffenen 
            ihres Lebens nicht sicher sein. Auf einer der letzten Rechtsmediziner-Kongresse 
            wurde dementsprechend gewarnt, wie die Frankfurter Rundschau 
            am 13. September 1990 unter der Überschrift »Welle 
            von unnatürlichen Todesfällen in Altenheimen?« 
            berichtet:»... dass 60% dieser 57 Patienten in der Altersgruppe über 
                62 Jahre in den ersten Wochen nach der Entwurzelung sterben, ist 
                barbarisch. Selbst von den Patienten zwischen 52 und 61 Jahren 
                stirbt ja auch fast noch ein Viertel ziemlich kurz nach der Zwangsunterbringung.« 
              »Rechtsmediziner befürchten in der Bundesrepublik eine 
                starke Zunahme unnatürlicher Todesfälle bei alten Menschen 
                in Pflegeheimen und Krankenhäusern. Es gebe genügend 
                Anhaltspunkte, dass wir am Beginn einer solchen Entwicklung stehen, 
                erklärte der Rechtsmediziner an der Universität des 
                Saarlandes, Professor Hans-Joachim Wagner, am Mittwoch in Köln 
                zum Auftakt der 69. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für 
                Rechtsmedizin. Zur Begründung seiner makabren Prognose 
                führte Wagner an, dass aus Sicht der Rechtsmediziner schon 
                jetzt die Zahl der Todesfälle in besonderem Maße 
                zugenommen hat, bei denen Patienten offenbar zu viel Psychopharmaka 
                oder Herzmittel verabreicht bekommen haben und vergiftet worden 
                seien. Bei den seltenen Ermittlungsverfahren in diesen Fällen 
                sei es für den Rechtsmediziner aber schwierig, sämtliche 
                Hintergründe des Todes zu erhellen. Es sei zu fragen, ob 
                die in Kliniken und Pflegeheimen in Wuppertal, Nürnberg und 
                Wien bekannt gewordenen Fälle von Morden an Patienten nur 
                die Spitze eines Eisberges seien.« Psychopharmakaverordnungen an alte Menschen Alte Frauen sind von psychiatrischen Verordnungen besonders betroffen. 
              Karl Kimbel, Geschäftsführer der Arzneimittelkommission 
              der deutschen Ärzteschaft, wies 1987 darauf hin, dass 1985 
              auf 100 Frauen im Alter zwischen 71 und 80 Jahren 228 Verordnungen 
              für Psychopharmaka kamen, bei den Über-80-Jährigen 
              sogar 282. Neuroleptikaverordnungen an alte MenschenNeben der Geschlechtszugehörigkeit ist das zunehmende Alter 
              ein gewichtiger Risikofaktor. Besonders aus den USA kommen verstärkt 
              besorgniserregende Nachrichten. Während dort der Bevölkerungsanteil 
              der über 60 Jahre alten Menschen 1985 bei 11% lag, betrug ihr 
              Anteil an Neuroleptikaverschreibungen über 33%. Können 
              ältere Menschen nicht mehr weglaufen, werden besonders häufig 
              Neuroleptika verabreicht. Eine Untersuchung von 1986, die sich 2000 
              chemischen Substanzen und Millionen von Verschreibungen widmete, 
              ergab, dass 60,5% der Verordnungen an die über 65 Jahre alten 
              Altenheimbewohnerinnen und -bewohner Neuroleptikaverschreibungen 
              waren. Laut einer 1989 publizierten Studie von Jerry Avorn und Kollegen 
              der Harvard Medical School in Boston, durchgeführt in 55 Altenheimen 
              in Massachusetts, erhielten 55% von 1201 Untersuchten zumindest 
              ein psychiatrisches Psychopharmakon. 39% bekamen Neuroleptika verabreicht, 
              die übrigen Antidepressiva, Lithium und Tranquilizer. Bei der 
              Neuroleptikagruppe war der Prozentsatz der Mehrfachverordnungen 
              mit Abstand am höchsten. Die Verschreibungen waren immer wieder 
              automatisch erneuert worden. Eine zweite Arbeit brachte 1989 ähnliche 
              Ergebnisse: 
             
              Verordnet werden Psychopharmaka in Altenheimen von Allgemein- und 
            praktischen Ärzten. In der Meinung, die Verordnung durch einen 
            Psychiater sei eher vertretbar, beklagte sich Joachim Spahr aus Esslingen 
            beim Spiegel über die unfachmännische Verschreibung:»In einer Folgestudie untersuchten wir 837 Bewohner in 44 
                Altenheimen mit teilweise hohen Dosen antipsychotischer Medikamente. 
                Bei ungefähr der Hälfte von ihnen war im Untersuchungsjahr 
                offensichtlich kein Arzt an Entscheidungen über ihren psychischen 
                Zustand beteiligt. (...) Wir kommen zum Schluss, dass Psychopharmaka 
                in Altenheimen weit verbreitet sind, wobei die Mitarbeiter nur 
                ein geringes medizinisches Verständnis von den möglichen 
                Nebenwirkungen besitzen und der Gebrauch nur wenig medizinisch 
                überwacht wird.« 
              »In meiner sechsjährigen Berufspraxis als Altenpfleger 
                kann ich mich an keinen einzigen Fall erinnern, wo Psychopharmaka 
                 so wie es für eine gesicherte Diagnose erforderlich 
                wäre  von einem Neurologen oder Psychiater verordnet 
                wurden, sondern in der Regel werden sie von den behandelnden Hausärzten 
                verschrieben.« Antidepressivaverordnungen an alte Menschen Da Frauen sehr viel öfter die entsprechenden Diagnosen erhalten, 
              ist es selbstverständlich, dass ihnen häufiger Antidepressiva 
              verordnet werden. Mit zunehmendem Alter steigt bei Männern 
              wie bei Frauen die Wahrscheinlichkeit, Antidepressiva zu erhalten, 
              und ab Beginn des Rentenalters bleibt die Verordnungsrate auf konstant 
              hohem Niveau. Tranquilizerverordnungen an alte Menschen Es ist sicher kein Zufall, dass man 1960 Chlordiazepoxid, den 
              ersten Tranquilizer, zuerst bei psychiatrisierten älteren Menschen 
              ausprobierte. Die bei der Verabreichung neben Sprachstörungen 
              und Koordinationsstörungen von Bewegungen auftretende Ruhigstellung 
              führte dazu, dass in der Folgezeit viele unzufriedene Bewohnerinnen 
              und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen, unbequeme und fordernde 
              Menschen, verstärkt in den Genuss von Tranquilizern 
              gekommen sind. Peters und sein Kollege M. Seidel teilten 1970 mit: 
             
              Zunehmendes Alter und weibliches Geschlecht stehen mit dem steigenden 
            Einsatz von Tranquilizern in Wechselbeziehung. Ab dem 40. Lebensjahr, 
            wenn sich viele vermehrt über ein sinnentleertes Leben Gedanken 
            zu machen beginnen, gehen die Tranquilizerverordnungen sprunghaft 
            in die Höhe. Die Hälfte aller Verschreibungen betreffen 
            Personen zwischen 60 und 80 Jahren. Menschen im höheren Lebensalter 
            erhalten besonders häufig und dauerhaft Tranquilizer, meist Benzodiazepine. 
            Krause-Girth kritisierte die Anwendung in Form von Großpackungen 
            und schrieb:»Es gelingt dem Arzt, mit Hilfe von Diazepam (im Handel 
                u.a. als Faustan und Valium, P.L.) gerade von den klagsamen Patienten 
                einen gewissen Abstand zu gewinnen.« 
              »Die massenhafte Verordnung von Benzodiazepinen an alte 
                Menschen, bei denen sie gehäuft zu unerwünschten oder 
                paradoxen Wirkungen führen, ist besorgniserregend.« Altersbedingtes Nachlassen der Abwehrkräfte Zusatz- und Folgerisiken betreffen vor allem Menschen mit nachlassender 
              Widerstandskraft gegen psychopharmakologische Wirkungen. Hierzu 
              sind insbesondere ältere Menschen zu rechnen. Sie verbrühen 
              sich in psychiatrischen Einrichtungen unter der Wirkung von Psychopharmaka 
              häufiger als in psychopharmakafreiem Zustand, prallen unter 
              Psychopharmaka häufiger gegen Möbel, kippen unter Psychopharmaka 
              häufiger um, fallen im Krankenhaus unter Psychopharmaka häufiger 
              aus dem Bett, stürzen unter Psychopharmaka häufiger beim 
              Gang zur Toilette, erleiden somit unter Psychopharmaka häufiger 
              Schürfwunden, Blutungen und Brüche und ziehen sich in 
              Altenheimen unter Psychopharmaka häufiger Oberschenkelhalsbrüche 
              zu. Speziell ältere Menschen sterben eher an Arzneimittelreaktionen. 
              Die American Psychological Association legte 1989 eine eigene Studie 
              vor. Ihr Direktor Bryant Welch meinte, ältere Menschen würden 
              zu oft »sinnlos und unmenschlich allein gelassen und psychologisch 
              einem medikamentenbedingten Stupor ausgesetzt«; Psychopharmaka 
              würden missbräuchlich verschrieben, um das Verhalten älterer 
              Menschen zu kontrollieren. Sie werden öfter wegen Psychopharmakaschäden 
              ins Krankenhaus eingeliefert, z.B. wegen neuroleptikabedingter Parkinsonerkrankung. 
              Studien in unterschiedlichen Ländern zeigten bei älteren 
              Menschen außerordentlich hohe Sterblichkeitsraten innerhalb 
              kurzer Zeit psychopharmakologischer Behandlung. Ein Bericht des 
              US-Department of Health and Human Services von 1989 führte 
              die Todesursache von US-Amerikanerinnen und US-Amerikanern über 
              60 Jahre in 51% und die Hospitalisierungsgründe in 39% auf 
              Arneimittelreaktionen zurück. Gefährliche Arzneimittelreaktionen 
              kommen besonders häufig in Langzeitpflegeeinrichtungen für 
              alte Menschen vor. Dämmern sie unter Psychopharmakawirkung 
              dahin, dann trinken sie zu wenig und sind dadurch einem erhöhten 
              Risiko von Altersverwirrtheit ausgesetzt, denn mangelnde Flüssigkeitszufuhr 
              ist bis zu 50% für den Abbau der geistigen und körperlichen 
              Fähigkeiten verantwortlich. In allen Einrichtungen, in denen man bevorzugt Psychopharmaka 
              verabreicht, wie in den meisten Altenheimen, leben die Bewohnerinnen 
              und Bewohner gefährlich. Da sie infolge des Altersprozesses 
              von erheblichen körperlichen Veränderungen betroffen sind, 
              nimmt ihr Körper pharmakologische Substanzen anders auf und 
              verarbeitet sie schlechter: Magen-Darm-Beweglichkeit, Blutfluss 
              und Magensäureproduktion sind herabgesetzt; Plasmaeiweiße 
              sind vermindert, das Gesamtkörperwasser hat relativ ab- und 
              das Körperfett relativ zugenommen, wodurch sich die Verteilungsvolumina 
              verändern; Lebergröße und -durchblutung sowie Enzymaktivitäten 
              sind vermindert; die Filtrationsrate der Nierengefäße 
              ist gesunken; die Rezeptorenempfindlichkeiten haben zugenommen. 
              Diese Prozesse haben zur Folge, dass Veränderungen der Plasmaspiegel 
              auftreten, fettlösliche Substanzen länger wirken, der 
              Abbau der Psychopharmaka im Organismus eingeschränkt und ihre 
              Ausscheidung verzögert ist. Rezeptordichte und Dopamingehalt 
              im Gehirn nehmen im Alter ab, deshalb sind ältere Menschen 
              speziell von neuroleptikabedingten Muskel- und Bewegungsstörungen 
              besonders stark betroffen. Der US-amerikanische Sozialwissenschaftler 
              Wolf Wolfensberger von der Syracuse University, der große 
              alte Mann des Kampfes um die Rechte von Alten und Behinderten, 
              sprach in seinem Buch »Der neue Genozid an den Benachteiligen, 
              Alten und Behinderten« die gefährlichen vegetativen Auswirkungen 
              der psychiatrischen Psychopharmaka an: 
             
              »Vor allem bewusstseinsverändernde Medikamente in Institutionen 
                wie Pflegeheimen, Krankenhäusern und Gefängnissen können 
                auf verschiedenen Wegen das Leben gefährden oder verkürzen: 
                (a) Vitale Funktionen werden soweit geschwächt, dass die 
                Widerstandskraft gegen Infekte abnimmt. (b) Die Sinnesorgane werden 
                stumpf, so dass jemand Gefahrensignale wie Schmerz nicht mehr 
                wahrnehmen kann. (c) Das Bewusstsein ist vermindert, so dass man 
                nicht mehr imstande ist, den todbringenden Maßnahmen des 
                Personals entgegenzuwirken, nicht mal, mit anderen über dies 
                Unrecht zu reden. (d) Andere körperliche Funktionen sind 
                eingeschränkt. Der Tod tritt aber durch ganz andere, sekundäre 
                Ursachen ein, etwa über Flüssigkeitsretention (-zurückhaltung), 
                über vermindertes Schwitzen (verursacht Hitzschlag) oder 
                über Einschränkung des Schluckens und Hustens, was wiederum 
                die offizielle Diagnose Tod durch Lungenentzündung 
                erlaubt. (...) Man steht fassungslos davor, in welchem Ausmaß 
                alltäglich getötet werden kann, ohne dass jemand auch 
                nur auf die Idee kommt, dass dies Töten sei.« Textteile und Informationen sind entnommen aus
 
 In den beiden Büchern finden Sie die Quellen für die 
              direkt und indirekt zitierten Textstellen.  Copyright by Peter Lehmann 2000 |